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Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung

Titel: Das Buch der zwei Krähen. Historische Erzählung
Autoren: Mike Wächter
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1795 Mannheim ein. Bei der Rückeroberung durch österreichische Truppen erlitt die Stadt großen Schaden durch Artilleriebeschuss.
    Elisabeth Auguste, die Gemahlin des Kurfürsten, war bereits im Jahre 1793 vor den Franzosen aus Schloss Oggersheim nach Weinheim geflohen. Dort starb sie im August 1794. Carl Theodor, der es leid war, sich auf seine alten Tage der Gartengestaltung, vor allem in Form des von ihm angeregten Englischen Gartens in München, zuzuwenden, heiratete nach Ablauf einer sechsmonatigen Frist die 52 Jahre jüngere Marie Leopoldine von Österreich-Este aus Mailand. Die Münchener Bürger hatten dem Kurfürsten noch nicht verziehen, dass er, als er Bayern erbte, mit dem Gedanken gespielt hatte, es gegen Vorderösterreich zu tauschen. Tagelang grölten sie beim Lustwandeln durch die Straßen der Stadt ihr neustes Lieblingslied:
    Mein lieber Herr und Heiland
    Was schickst du uns aus Mailand
    Eine schöne junge Frau
    Für unsre alte Sau!
    Es war im Februar des Jahres 1799, als Mannlich von lautem Gebrüll auf dem Flur seines Mannheimer Hotels geweckt wurde. Jemand weckte den Sekretär, der im Nachbarzimmer nächtigte. »Allons, vorwärts! Dicke Sau, schnell aus dem Bett und schreiben, es eilt!«
    Zuerst glaubte er, dass es sich nach dem Abzug der Österreicher um eine neue Beschießung durch die Franzosen handelte. Wie sich herausstellte, ging es zunächst um die Nachricht, dass Carl Theodor beim Kartenspiel einen Schlaganfall erlitten hatte und im Sterben lag.
    Da niemand eine Genesung des Landesherrn für möglich hielt, beauftragte der Herzog von Zweibrücken, der zukünftige Kurfürst, Mannlich damit, den Rest der Gemäldesammlung im Mannheimer Schloss zu verpacken und für den Abtransport nach München bereitzumachen.
    Am nächsten Tage ließ er mehr als 200 Gemälde in sieben Kisten verstauen. Zur Vervollständigung einer Wagenladung sollte noch eine weitere Kiste am kommenden Tage gepackt werden. Zuletzt wollte er sich noch um das Bild in der Sternwarte und um das Manuskript kümmern, das er auf keinen Fall in diesen wirren Tagen in Mannheim zurücklassen wollte.
    Als der Morgen graute, zog ein Diener des Herzogs die Vorhänge seines Bettes zurück und meldete, dass die Franzosen gegen die Stadt heranrückten und schon vor dem Rheintore standen.
    Als Mannlich auf die Straße trat, sah er eine Kolonne Franzosen durch das erste Tor einmarschieren und die eigene Garnison gut geordnet auf der anderen Seite der Stadt durch das Heidelberger Tor hinausziehen. Die neue Armee bemächtigte sich vor allem des kurfürstlichen Schlosses und belegte alle Türen mit einem Siegel. Als er zur Sternwarte kam, fand er dieses verwünschte Zeichen dort an jedem der Eingänge angebracht, unter Aufsicht einer Schildwache. Mannlich waren die Hände gebunden.
    So begab es sich, dass Carl Theodor genau in jener Stunde seinen letzten Atemzug tat, als die Franzosen seine geliebte ehemalige Residenzstadt zum zweiten Male einnahmen, und als ein Oberst mit schlechten Manieren, der auf den Namen Beaumarchais hörte, seine Erzählungen und das Bildnis seiner verstorbenen Geliebten stahl.
    Als die Nachricht vom Tode des Kurfürsten bekannt wurde, jubelten die Menschen auf den Straßen von München. Die junge Gemahlin Carl Theodors blieb kinderlos, und um die Gestaltung des Englischen Gartens kümmerten sich neue Generationen. Den Karlsplatz in der Mitte der Stadt nannten die Münchener, die auch der Tod nicht mit ihrem ungeliebten Herrscher versöhnen konnte, so lange den »Stachus« (nach dem beliebten Gasthaus »Stachusgarten«), bis die letzte Erinnerung an den Namensgeber aus dem Gedächtnis der Menschen gelöscht war.
    Das Gemälde und das Buch traten mit anderen Exponaten aus der Bibliothek, fein säuberlich in mehreren Kisten verstaut, eine Reise nach Paris an. Zum Auspacken der Behälter kam der Oberst allerdings nicht mehr, weil bei seiner Rückkehr nach Paris im Spätjahr 1799 die Stadt in verzücktem Wahnsinn lag. Das Gerücht hatte sich verbreitet, ein Herr de Lalande habe durch untrügliche Berechnung herausgefunden, ein seit längerem sichtbarer Komet werde pünktlich am 31. Dezember den Untergang der Welt mit sich bringen, indem er auf seiner Bahn mit der Erde zusammenstoßen würde. Die Angst breitete sich unter allen Bürgern aus: Junge Frauen weigerten sich, bei ihren Männern zu schlafen, aus Furcht, unschuldige Wesen mit sich ins Verderben zu reißen. Zärtliche Liebhaber, die keine Folgen mehr zu befürchten
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