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Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung

Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung

Titel: Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung
Autoren: Tiernan Cate
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Robbies Hände waren größer als meine, Matts glatt und schlank, Robbies kräftiger als Cals Hand. Mein Blick huschte zu Robbies Gesicht. Es war
glatt und makellos. Ich hatte das bewirkt. Ich konnte es jetzt anerkennen, dass ich diese magische Kraft besaß, und war stolz darauf.
    Cal fing mit dem Gesang an, und wir bewegten uns sonnenwendig im Kreis.
    »Lebewohl sagen wir dem Gott heut Nacht,
dass er im Untergrunde wacht.
Bis er im Frühling wiederkehrt
und neues Leben frisch verehrt.
     
    Unter dem Blutmond tanzen wir
und singen dieses Lied neunmal.
Die Liebe unserer Herzen hier,
der Göttin hilft in ihrer Qual.«
    Ich zählte, als wir uns tanzend im Kreis bewegten, und wir sagen das Lied neunmal. Je mehr ich über Wicca lernte, desto deutlicher wurde mir bewusst, dass fast alles eine symbolische Bedeutung hatte: Pflanzen, Zahlen, Wochentage, Farben, Jahreszeiten, selbst Stoffe, Nahrung und Blumen. Alles hat eine Bedeutung. Meine Aufgabe als Schülerin würde es sein, diese Symbole zu lernen, so viel wie möglich über die mich umgebende Natur zu erfahren und mich mit ihren Strukturen und ihrer Magie zu verweben.
    Während wir sangen, dachte ich an das Ende, wenn
wir die Arme in die Luft werfen würden, um unsere Energie freizusetzen. Ich war nun doch ein wenig besorgt, denn ich dachte an den Schmerz und die Übelkeit, die ich bei den ersten Malen empfunden hatte. Meine sichere Fassade bröckelte ein wenig, ließ hier und da Angst durchsickern. Meine magische Kraft flößte mir Furcht ein.
    Während wir noch im Kreis herumwirbelten und das Lied sangen wie einen Kanon, unsere Stimmen sich miteinander verwoben, wurde mir plötzlich klar, dass es die Angst war, die mir Schmerz bereiten würde, wenn ich sie nicht sofort losließ. Ich atmete tief durch, spürte, wie der Gesang meiner Kehle entstieg, fest eingebunden in den Hexenzirkel und unser Kreisritual, und ich versuchte, die Angst zu verbannen, so wie ich Grenzen verbannt hatte.
    Gesichter verschwammen. Ich merkte, dass ich die Kontrolle verlor. Ich verbanne Angst!, hallte es entschlossen durch meinen Kopf. Die Worte verschwammen, bis unser Gesang nur noch ein wunderbarer Rhythmus reiner Töne war, der stieg und fiel und um mich herumwirbelte. Ich hatte Probleme zu atmen und mein Gesicht war heiß und schweißnass. Ich wollte meine Jacke abwerfen, meine Schuhe wegschleudern. Ich musste aufhören. Ich musste die Angst verbannen.
    Mit einem letzten Ton blieb unser Kreis stehen und wir warfen die Arme gen Himmel. Meine Hand fasste
in die Luft, und ich drückte die Faust gegen meine Brust, um mich mit Energie aufzuladen. Ich verbanne Angst, dachte ich versonnen, und dann explodierte die Nacht um mich herum.
     
    Ich tanzte durch die Atmosphäre, inmitten von Sternen, sah winzige Energieteilchen an mir vorbeischießen wie mikroskopisch kleine Kometen. Ich konnte das ganze Universum sehen, alles auf einmal, jeden Partikel, jedes Lächeln, jede Fliege, jedes Sandkorn offenbarte sich mir und war unendlich schön.
    Beim Luftholen atmete ich die Essenz des Lebens ein und beim Ausatmen stieß ich weißes Licht aus. Es war schön, mehr als schön, doch ich hatte nicht genügend Worte, um es zu beschreiben, nicht einmal für mich selbst. Ich verstand alles, ich verstand meinen Platz im Universum, ich verstand den Weg, dem ich folgen musste.
    Dann lächelte ich und blinzelte und atmete wieder aus und stand mit neun Highschoolfreunden auf dem finsteren Friedhof und Tränen liefen mir über das Gesicht.
    »Geht’s dir gut?«, fragte Robbie besorgt und kam zu mir herüber.
    Zuerst schien mir, als redete er nur dummes Zeug, doch dann verstand ich, was er gesagt hatte, und nickte.

    »Es war so schön«, sagte ich lahm und mit brechender Stimme. Nach meiner Vision fühlte ich mich unerträglich klein. Ich streckte den Finger aus, um Robbies Wange zu berühren. Da, wo ich ihn berührte, hinterließ mein Finger einen warmen rosafarbenen Strich, und Robbie rieb sich verwundert die Wange.
    Die Vasen mit den Blumen standen auf dem Altar, und ich ging, fasziniert von ihrer Schönheit und überwältigt von Traurigkeit über ihren Tod, hinüber. Ich berührte eine Knospe, und sie öffnete sich unter meiner Berührung, erblühte im Tod, wie sie im Leben nicht hatte blühen dürfen. Raven keuchte auf, und ich wusste, dass Bree, Beth und Matt in diesem Augenblick vor mir zurückschraken.
    Dann trat Cal neben mich. »Hör auf, Sachen anzufassen«, sagte er ruhig und mit einem Lächeln auf den
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