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Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1

Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1

Titel: Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1
Autoren: Bastei Lübbe
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stellte ich Tommy eine Frage, die mir gleich darauf leidtun sollte. »Wieso stehen bei euch auf dem Klingelschild eigentlich zwei Namen, García und Dressel? Wollte deine Mutter nicht wie dein Vater heißen?«
    Tommy stockte mitten im Kauen, sein Blick wandte sichvon mir ab und irrte im Zimmer umher. Ich merkte, wie ihm unwohl wurde, und ahnte, dass ich eine dumme Frage gestellt hatte.
    »Mein Vater lebt nicht mehr.«
    Ich wusste nicht, was ich auf diesen Satz sagen sollte. Wie verdammt ungeschickt von mir! Da hatte ich mir einen richtig schönen Quatsch-Nachmittag mit meinem neuen Freund Tommy gewünscht und nun versetzte ich der guten Stimmung einen absoluten Tiefschlag! Es tat mir unendlich leid. Ich mochte mir gar nicht vorstellen, wie ich mich fühlen würde, wenn mein eigener Vater nicht mehr am Leben wäre. Doch dann fing Tommy an, gleich wieder weiterzusprechen, und mir wurde wohler, denn ich spürte, dass er den Tod seines Vaters schon verarbeitet haben musste.
    »Ich kann mich nicht mehr genau an ihn erinnern. Ich war erst drei, als es passierte. Mein Vater war Tauchlehrer und hatte eine Tauchschule auf Teneriffa. Meine Mutter hat ihn während einer Reise kennengelernt und bei ihm Tauchen gelernt.«
    Tommy schwieg für einen Moment und lächelte.
    »Na ja, sie sind wohl nicht nur zusammen getaucht, denn meine Mutter ist nach ihrem Urlaub einfach dageblieben. Sie hat mir erzählt, wie sehr sie sich verliebt haben und wie schön es war, in einem kleinen Bungalow am Strand zu leben. Sie haben dann auch sehr bald geheiratet. Und dann bin ich gekommen. Das war zwar nicht geplant, aber gefreut haben sie sich doch ganz doll. Meine Mutter meinte, dannwürde ich halt Spanisch und Deutsch gleichzeitig lernen, und auf Teneriffa gibt es ja auch deutsche Lehrer.«
    »Deine Mutter ist cool«, rutschte es mir heraus.
    »Ja, das ist sie«, sagte Tommy und starrte aus dem Fenster. »Und mein Vater war es auch. Die beiden lebten von seinen Kursen, und meine Mutter hat dann noch so einen kleinen Kiosk aufgemacht. So was würde ich heute auch gern machen.«
    Er schwieg für ein paar Sekunden und ich wollte nichts sagen, weil ich dachte, es würde sowieso nur wieder was Blödes dabei rauskommen. Aber dann blitzte es in seinen Augen und er blickte mich entschlossen an. Jever spürte die Stimmungslage seines Herrchens und hob den Kopf.
    »Mein Vater war unglaublich mutig. Er tauchte nicht nur oft allein zu irgendwelchen Schiffswracks hinunter, er konnte auch wahnsinnig gut surfen und traute sich als einziger selbst bei ablandigem Wind aufs Meer.«
    Ich wusste nicht, was ablandig bedeutete, aber ich traute mich nicht zu fragen, denn ich wollte Tommy auf keinen Fall bei der Erinnerung an seinen Vater unterbrechen.
    »Und er war Klippenspringer.«
    »Wahnsinn!«, entfuhr es mir.
    Tommy nickte. »Ja, ich glaube, er war der mutigste Mann, den man sich vorstellen kann. Meine Mutter hat mir erzählt, dass er sich vor nichts gefürchtet hat, aber auch niemals unvorsichtig war. Ich war ja noch klein und ich weiß nicht mal mehr, wie er aussah, außer natürlich auf Fotos, aber ichkann mich daran erinnern, dass er mich oft an die Hand nahm und wir am Strand entlangspazierten und Muscheln suchten. Und oft brachte er mir etwas vom Tauchen mit. Eines der Dinge von damals habe ich behalten. Ich trage es immer bei mir.«
    Während er so erzählte, öffnete er ein Goldkettchen, das er um seinen Hals trug, und holte einen kleinen Anhänger unter seinem T-Shirt hervor.
    »Hier«, sagte er und reichte mir die Kette. »Das ist eine byzantinische Goldmünze. Mein Vater meinte, das Abbild darauf könnte Anastasios sein, aber es ist nicht mehr viel zu erkennen. Auf jeden Fall ist sie sehr alt, und noch viel mehr ist sie fast das Einzige, was ich von meinem Vater noch habe.«
    Ich betrachtete diese Münze andächtig und drehte sie hin und her. Sie glänzte nicht sonderlich und war längst nicht mehr rund, außerdem konnte man tatsächlich nicht mehr erkennen, was in ihr eingraviert gewesen sein mochte. Aber sie war ganz schön schwer und schien aus purem Gold zu sein. Mir schossen sofort Bilder von Piratenschiffen und wilden Seegefechten durch den Kopf. Sie musste Hunderte von Jahren auf dem Meeresboden gelegen und darauf gewartet haben, dass irgendjemand sie zufällig aus dem Sand holte. Vorsichtig gab ich sie Tommy zurück.
    »Er hat sie beim Tauchen gefunden?«
    »Ja. Wohl nicht bei Teneriffa, aber wenn dort nicht so viel los war, reiste er in der
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