Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das böse Auge

Das böse Auge

Titel: Das böse Auge
Autoren: Horst Hoffmann
Vom Netzwerk:
nahen Quelle und reichten sie weiter. »Das wissen wir alles. Das können wir uns auch selbst aufsagen!«
    Luxon streckte einen Arm aus. Sofort verstummten die Zwischenrufe.
    »Sie hatten also alles, was sie zum Leben brauchten«, fuhr er fort. »Es ging ihnen gut, und so vergaßen sie, daß sie etwas dafür tun mußten, wollten sie auch in Zukunft so leben. Sie wurden faul und behäbig. Sie unternahmen keine Raubzüge mehr, um sich wilde Graupferde zu holen, die ihre Hauptnahrung sind. Ihr Häuptling beschwor sie, mit ihm die Düsterzone zu verlassen und für Nachschub zu sorgen, aber sie wollten nicht auf ihn hören.«
    »Weil dieser Häuptling dumm war!« wurde ihm entgegengehalten. »Wir Valunen wissen immer, wann wir auf Raubzug gehen müssen!«
    »Sie wußten es aber nicht! Sicher, sie hatten noch Pferde in großer Zahl, aber sie wußten die Zeichen aus der Schattenzone nicht zu deuten!«
    Luxon spürte, wie die Verwirrung nach seinem Geist griff. Schon fiel es wieder schwer, klare Gedanken zu fassen. Aber er redete hier um sein Leben.
    Der Einfall mit der Schattenzone war ihm urplötzlich gekommen. Wenn dies allerdings ebenfalls keine Wirkung auf die Zwerge hatte, was denn dann überhaupt noch?
    »Das war«, rief er, »als die Dämonen sich wieder regten! Die Valunen hatten ihren Zorn erregt. Lichter erschienen am Himmel, und ein gewaltiger Sturm hob an. Der Häuptling redete auf sie ein, aber immer noch weigerten sie sich, ihm zu gehorchen.«
    Täuschte er sich, oder blickten die ersten Zwerge sich scheu um?
    »Was geschah mit ihnen?« wollten sie wissen.
    »Sie mußten mitansehen, wie ihre Tiere starben. Dies geschah so schnell, daß es ihnen nicht mehr möglich war, sich rechtzeitig neue zu holen. Die Valunen verhungerten schließlich. Ihr ganzer Stamm ging qualvoll zugrunde. Die Dämonen vergifteten ihr Wasser. Kein einziger Valune überlebte ihren Zorn!«
    Luxon fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Der Wind war eisig geworden, und doch schwitzte er. Die Verhältnisse in der Düsterzone wechselten oft von einem Herzschlag auf den anderen. Nirgendwo waren sie gleich. Wenn jetzt nur der Sturm nicht abflaute. Ihr Dämonen, schickt Himmelssteine! Schickt Blitze und Donner!
    Und als hätten die Mächte der Finsternis Luxons Flehen erhörte, hob ein noch gewaltigeres Brausen an. Schwarze Schatten schoben sich über die Hügel. Grüne und blaue Irrlichter tänzelten über die Hänge, und für die Dauer eines Atemzugs riß die Finsternis auf. Kugelblitze fuhren auf das karge Land herab.
    Und die Valunen sprangen auf und rannten schreiend davon. Mehrere versuchten gleichzeitig, sich in ihre Höhlen zu stürzen, und behinderten sich dabei gegenseitig. Andere stolperten übereinander, begannen sich zu prügeln und rollten ineinander verschlungen das Stück Hang wieder herunter, das sie eben erst erklommen hatten. Ein unbeschreibliches Gewirr entstand, bis endlich alle Zwerge verschwunden waren.
    Luxon blieb auf dem Felsen sitzen, erschöpft und schwitzend. Aber der Druck in seinem Kopf, das unheimliche Ziehen und das Dahinschwinden seiner Kraft ließen nach. Für Augenblicke glaubte er wirklich, in der Schattenzone auf Gehör gestoßen zu sein, und er schauderte bei dem Gedanken. Dann aber sagte er sich, daß er einfach Glück gehabt hatte – wie so oft in seinem Leben.
    Leuchtende Augen beobachteten ihn von den Höhlen aus. Die Valunen sollten sehen, daß ihr Häuptling sich nicht fürchtete – obwohl es in ihm ganz anders aussah. Ein verirrter Blitz genügte, um ihn all seiner Sorgen zu entheben.
    Doch der Spuk verschwand so schnell wieder, wie er gekommen war. Dafür begann es nun in Strömen zu regnen. Innerhalb kürzester Zeit ragte der Felsen aus einem kleinen See heraus. Das Wasser sammelte sich schneller in der Senke, als es von den wenigen mit Erdreich angefüllten Spalten versinken konnte. Luxon fröstelte, aber er ertrug auch dies.
    Seine Kleider klebten an ihm, als der Regen aufhörte. Eine beklemmende Stille folgte. Nur ganz leise noch pfiff der Wind durch Felsritzen. Und erst, als auch diese Geräusche erstarben, wagten sich die Valunen wieder aus ihren Höhlen heraus.
    Sie kamen langsamer als sonst heran und blieben vor dem nur allmählich versickernden Wasser stehen.
    »Erzähle uns diese Geschichte noch einmal!« rief einer von ihnen. Aber das war keine Forderung – das war eine scheu vorgetragene Bitte.
    Luxon tat ihnen den Gefallen, und diesmal begann er nicht mit: »Es war einmal…« Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher