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Das böse Auge

Das böse Auge

Titel: Das böse Auge
Autoren: Horst Hoffmann
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nicht dorthin, wo sie hin sollten. Luxon fluchte unterdrückt. Er spürte, wie etwas seinen Geist zu trüben begann. Beim nächstenmal hielt er die Steine ganz dicht über das Gras – und diesmal brannte es.
    Luxon hörte die Valunen aufschreien. Zum erstenmal seit seiner königlichen Gefangenschaft trat ein schwaches Grinsen in sein Gesicht. Er stand auf, schwang das Heu und lief damit zum ersten Graupferd. Das Tier scheute, blähte die Nüstern und wollte sich davonmachen. In einem wahren Sturzflug erreichte Luxon es noch und brachte das brennende Gras an seinen Schweif. Die angebundene Rute fing sogleich Feuer. Im nächsten Augenblick verwandelte sich das bisher ruhig grasende Tier in einen Dämon.
    Es schlug aus, wieherte und galoppierte davon, als sein Schweif gegen die Hinterläufe peitschte und es das Feuer spürte. Er lief im Kreis, schreckte noch davor zurück, den Zaun zu überspringen.
    Luxon rannte aus dem Pferch. Mit einem gewagten Sprung zwischen zwei Zaunlatten hindurch brachte er sich in Sicherheit, bevor er zu Tode getrampelt werden konnte. Alle sechs Graupferde gebärdeten sich wie rasend. Sie galoppierten durch den Pferch, streiften sich dabei und fingen gegenseitig Feuer. Atemlos sah Luxon zu und hoffte inbrünstig, daß sie nicht gerade dort über den Zaun springen würden, wo er lag.
    Aber immer noch schienen sie eine Scheu davor zu haben. Luxon erkannte seine Chance und sprang auf, lief zum südlichen Gatter und riß es auf.
    Mit brennenden Schweifen galoppierten die sechs Graupferde davon – in Richtung Schattenzone. Luxon war bestimmt kein Tierquäler. Es schmerzte ihn in der Seele, das qualvolle Wiehern unschuldiger Kreaturen zu hören. Er tröstete sich mit dem Gedanken, daß Gras und Schweifhaare nach einiger Zeit abgebrannt sein und die Pferde mit dem Schrecken davonkommen würden – weit genug weg vom Gebiet der Valunen. Sie würden auf ihre Weiden zurückkehren, aber dann sollten die Zwerge schon auf dem Weg aus der Düsterzone sein. Sicher zog nicht der ganze Stamm mit ihm. Die Zurückbleibenden würden noch leuchtendere Augen bekommen, wenn sie die »Opfertiere« plötzlich wieder im Pferch sahen. Sollten sie ruhig sein falsches Spiel durchschauen – ihm machte es dann nichts mehr aus, und das tot am Boden liegende Pferd war nicht umsonst geschlachtet worden. Sie würden es ausweiden und verzehren, wie sie es früher oder später ohnehin getan hätten.
    Wirklich höchste Zeit, daß ich von hier verschwinde, dachte Luxon. Es war wie gestern, daß er in Logghard kämpfte – und nun machte er sich Vorwürfe, weil er ein Pferd getötet hatte!
    Die Valunen kamen zögernd näher. Sie blickten immer noch gebannt nach Süden, wo die brennenden Schweife der Graupferde längst von der Düsternis verschluckt worden waren.
    »Die Dämonen haben unser Opfer angenommen!« rief Luxon. »Sie holten sich die Pferde!«
    »Und… sie zürnen nicht mehr?« fragte einer der Zwerge. Luxon glaubte, daß es wieder jener war, der immer unter ihm auf den Erzählerfelsen hockte.
    Er deutete zur Antwort nur in den ruhigen, dunklen Himmel.
    »Aber jetzt haben wir keine Nahrung mehr«, beklagte sich ein anderer.
    »Darum werden wir einen Raubzug unternehmen und mit vielen Pferden und kostbaren Schätzen zurückkehren. Trefft alle Vorbereitungen. Ich werde jetzt lange schlafen. Sobald ich aufgewacht bin, brechen wir auf. Fünfzig von euch begleiten mich.«
    »Wir werden unsere Waffen holen«, versicherte ein Zwerg schnell. »Schlafe ruhig und lange, Hordenführer.
    Dann haben wir Zeit, uns von unseren Ziehmüttern zu verabschieden.«
    Ziehmütter?
    Luxon hatte bisher nicht darauf geachtet, ob er Weibchen oder Männchen vor sich hatte. Besser gesagt: er hatte nur Valunen gesehen, keine Valunninen und schon gar keine Kinder.
    Aber irgendwo mußte ihr Nachwuchs ja herkommen. Er vermutete, daß diese »Ziehmütter« und ihr Nachwuchs hinter einem der anderen Hügel lebten.
    »Tut das«, sagte er. Sie blickten ihn schon wieder so neugierig an. »Oder habt ihr auch vergessen, wo sie sich aufhalten?«
    »Das nicht«, antwortete einer. »Aber es ist etwas weit Schrecklicheres geschehen.«
    »Was?«
    »Wir haben vergessen, wie man die wilden Graupferde einfängt.« Er blickte Luxon unschuldig an. »Wir haben sie doch sonst immer gefangen, oder…?«
     
     
    3.
     
    Luxon schlief wirklich, tief und fest. Er glaubte, es sich nun leisten zu können, denn jetzt brauchten ihn die Valunen nicht mehr nur als
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