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Das böse Auge

Das böse Auge

Titel: Das böse Auge
Autoren: Horst Hoffmann
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geben durfte. Luxon hielt sich krampfhaft an Cyrles Umhang fest, als er glaubte, die Welt müsse sich um ihn herum drehen. Noch immer rief Cyrle ihre Beschwörungen. Der Wind wurde stärker. Er zerrte an Luxons Körper. Aber das war kein Wind mehr. Das war etwas anderes, das nach ihm griff und ihn nicht mehr losließ. Es war wie ein Strudel im tiefsten Ozean. Und er packte die Valunen und riß sie vom Boden, auf dem sie standen, lagen oder kopflos umherrannten.
    Luxon sah es. Er sah, wie sie von den Beinen gerissen und durch die Luft gewirbelt wurden, auf die Schattenzone zu, in dieses furchtbare glühende Auge hinein, das größer schien als die Sonne.
    »Ja!« hörte er Cyrle schreien. »Dies ist Quidas Böses Auge, Luxon! Sieh hinein! Sieh nur hinein, bevor es auch dich verschlingen wird!«
    Die Flammen griffen nach ihm. Cyrles Umhang riß ab. Für die Dauer eines einzigen Herzschlags fühlte Luxon sich schwerelos. Schreiend, von Grauen geschüttelt, schlug er um sich und fand Halt an einem Flügel des Drachen. Nur mit den Händen konnte er sich festklammern. Sein Körper hing waagrecht in der Luft. Luxons Füße zeigten genau auf den Glutball. Seine Schreie gingen in mächtigem Brausen und Lauten unter, wie er sie nie gehört hatte.
    »Cyrle! Bei allen Göttern! Du hast versprochen, daß ich sicher wäre! Hilf mir doch!«
    Er weigerte sich, das zu glauben, was er eben gehört hatte. Das furchtbare Licht brachte ihn schier um den Verstand. Es blendete ihn nicht, denn er konnte hineinsehen, ohne sein Augenlicht zu verlieren. Aber es fraß sich in seinen Geist hinein.
    Ein Valune wirbelte schrill kreischend an ihm vorbei. Luxon hätte nur eine Hand nach ihm auszustrecken brauchen, um ihn zu packen. Aber er selbst hatte das Gefühl, von den unseligen Kräften in zwei Stücke gerissen zu werden, die an ihm zerrten.
    »Cyrle! So höre doch!«
    Er konnte sich mit den Ellbogen hinter dem Drachenflügel verkanten und versuchte verzweifelt, wieder auf den Rücken des Drachen zu gelangen. Er mußte zu Cyrle. Nur in ihrer Nähe konnte er überleben. Er mußte…
    Sie aber lachte!
    Luxon verlor fast wieder den Halt. Fassungslos starrte er sie an, wie sie den Kopf in den Nacken warf und ihr schauriges Gelächter ausstieß. Im Licht des Bösen Auges wirkten ihre Haare nun dunkel, pechschwarz.
    Cyrle drehte sich zu ihm um. Mit einer Hand hielt sie sich am Schädelhorn des Drachenvogels fest, mit der anderen machte sie eine Bewegung, als wollte sie ihm die Augen auskratzen.
    Und es war nicht das furchtbare Licht, daß sie plötzlich um fünfzig Jahre gealtert aussehen ließ! Luxon stieß einen heiseren Schrei aus. Das Wüten der entfesselten Elemente um ihn herum war das leise Säuseln eines Frühlingswindes im Vergleich zu dem, was dieser Anblick in ihm auslöste. Luxon bekam keine Luft mehr. Sein Herz wollte stehenbleiben. Das war nicht mehr Cyrle. Das war…
    »Quida!« schrie sie. »Erkennst du mich endlich, mein Prinz?« Wieder stieß sie ihr schreckliches, grausames Lachen aus. Schwarzes, zottiges Haar, schwarze kleine Augen, ein zahnloser Mund und eingefallene Wangen sah er nun anstelle des geliebten Gesichts seiner Cyrle. Doch er wollte es nicht wahrhaben. Das durfte nicht wahr sein!
    »Nein!« schrie er in das Tosen. »Nein, du bist nicht…!«
    »Öffne deine Augen, du Narr! Oder soll ich mich in Dai verwandeln, damit du begreifst?«
    Sie tat es vor seinen Augen. Für Herzschläge saß das Kind vor ihm. Doch Dais Augen waren nicht länger blind. In ihnen loderte Haß. Sie schleuderte ihn ihm entgegen. Luxon zitterte, keuchte und schrie. Aus Dai wurde Cyrle, dann die Alte.
    »Sieh her!« schrie sie. »Schau, wen du in deinen Armen hieltest! Du hast die Hexe geliebt und wirst nun den Preis dieser Liebe bezahlen! Sieh die Zwerge! Du wirst ihnen folgen, und Achar mag es gefallen, sich an deinen Qualen zu ergötzen!«
    »Hör auf!« schrie Luxon.
    »Du begreifst also endlich? Dann wisse, daß dies meine Rache für Lazuli ist! Und diesmal wird Achar dich nicht vor deinem Schicksal bewahren, weil ich dich nicht töten werde. Das Böse Auge wird dich wie die Valunen verschlingen, und du wirst tausend Tode sterben und doch immer leben!«
    Ihr Lachen ließ den Bann endgültig von Luxon abfallen. In einem einzigen schrecklichen Augenblick erkannte er die ganze grausame Wahrheit. Von Schmerz und Abscheu geschüttelt, klammerte er sich an den Drachenflügel. Immer stärker wurde der Sog. Etwas starb in Luxon, doch gleichzeitig
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