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Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)

Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)

Titel: Das blutige Land: Die Götterkriege 3 (German Edition)
Autoren: Richard Schwartz
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offener Krieg, Schlachten waren nicht zu erwarten, und die Rekruten würden selten die sicheren Mauern der Festungen verlassen.
    So hatte ich jedenfalls gedacht, als ich den Befehl unterschrieben hatte. Das Ergebnis konnte ich mir jetzt selbst anschauen. Generalsergeantin Rellin war mit Recht stolz auf die umfassende Ausbildung, die die kaiserlichen Legionäre erhielten, doch keiner meiner Kameraden war seit mehr als acht Wochen dabei. Ich konnte froh sein, dass die jungen Kerle wenigstens wussten, wie sie ihr Schwert anzufassen hatten – jedenfalls würde es noch Monate, eher Jahre dauern, bis die legendären kaiserlichen Legionen sich ihren Ruf wieder verdienten. Dennoch bestand kein Zweifel an dem Mut und der Treue meiner Kameraden, sie waren sichtlich stolz, Legionäre zu sein.
    Wo wir stehen, da weichen wir nicht, das war das Motto der kaiserlichen Legionen. Jetzt musste ich nur noch dafür sorgen, dass sie nicht dort liegen blieben, wo sie gestanden hatten. Ich fragte mich, was sie wohl sagen würden, wenn sie wüssten, dass Schwertrekrut Lenar in Wahrheit eben jener Lanzengeneral von Thurgau war, der indirekt dafür gesorgt hatte, dass sie sich nun in dieser misslichen Lage befanden.
    Am gestrigen Morgen hatte ich mich im Kommandeursgebäude einfinden dürfen, wo Lanzensergeant Anders, ein bärbeißiger Veteran mit kurzen grauen Haaren und ebensolchen Bartstoppeln, mich und die anderen Tenetiere schon erwartete. Im Gegensatz zu den glatten Gesichtern der Gruppenführer, die vor ihm Haltung annahmen, zeigte sein Gesicht die Furchen und Spuren eines langen Lebens im Dienste des Kaisers – der Kaiserin, verbesserte ich mich. Er musste über fünfzig sein, hatte womöglich die sechzig schon erreicht, und gehörte wohl zu den Veteranen, die man mit zusätzlichem Gold und Versprechungen aus dem Ruhestand zurückgeholt hatte, um wenigstens einen Teil der wichtigeren Stellen zu besetzen. Eine Narbe hatte ihm den Mundwinkel verzogen und einen Teil seines Kieferknochens bloßgelegt, und an seiner linken Hand fehlte der Ringfinger, was auch dadurch nicht ausgeglichen wurde, dass der kleine Finger verkrüppelt war und steif abstand.
    Von den zehn, die vor ihm standen, war ich mit Abstand der Älteste, auch wenn man mich von meiner äußeren Erscheinung her kaum älter als Ende zwanzig schätzen würde. Drei Wochen lang hatte ich wie tot auf einer Bahre im Soltartempel zu Askir gelegen, und eine irritierende Folge davon war, dass ich jünger aussah als seit Jahrhunderten. Selbst meine gebrochene Nase war wieder gerade, und bis auf die Narben, die ich mir in meiner Jugend angesammelt hatte, waren die meisten späteren Zeugen von Leichtsinn, Dummheit oder Ungeschick spurlos verschwunden.
    Auch beim Rasieren war mir der eigene Anblick ungewohnt; solange ich denken konnte, hatte ich mit dem Messer die Narbe an meinem Kinn vorsichtig umschiffen müssen, jetzt glitt der Stahl dort mühelos über viel zu glatte Haut. Ich konnte mich daran erinnern, dass mir noch vor Kurzem mein eigenes Gesicht mit den tiefen Furchen und Falten seltsam hart und unerbittlich vorgekommen war. Vielleicht sogar Furcht einflößend … tatsächlich waren mir die meisten Menschen aus dem Weg gegangen, selbst wenn ich sie angelächelt hatte. Inzwischen ertappte ich mich dabei, dass ich mein altes Gesicht gerne gegen das jugendliche Antlitz eingetauscht hätte, das ich nun im Spiegel sah – so grün, wie ich jetzt aussah, konnte ich mich selbst kaum noch ernst nehmen!
    Die Erfahrung, die ein Mensch hatte, stand ihm ins Gesicht geschrieben, wie bei Sergeant Anders hier, bei dem ein Blick reichte, um zu wissen, dass der Mann wusste, wovon er sprach.
    Der Rest der Rekruten, die halbwegs gerade vor ihm standen, war kaum älter als zwanzig; einer von ihnen, Schwertrekrut Tobas, hatte sich am Tag seines fünfzehnten Geburtstages zu den Legionen gemeldet.
    »Ihr drei«, knurrte der Sergeant und wies mit seinem verkrüppelten Finger auf die Ersten, die links in der Reihe standen … und damit auch auf mich. »Wie ihr vielleicht wisst, wurde vor ein paar Tagen diese Festung beinahe überrannt, während es im Umland verdächtig ruhig geblieben ist.« Der Sergeant wies mit seinem Dolch auf die Karte, die hinter ihm an der Wand hing. »Es ist jedes Mal dasselbe, wenn es ein paar Jahre keinen Angriff gegeben hat, denken irgendwelche Hornochsen, das wäre die Gelegenheit, sich hier in der Ostmark ein neues Leben aufzubauen und sich um die Feste herum
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