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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza
Autoren: Claudia Platz
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verwoben. Wir können sie nicht ungeschehen machen, aber vielleicht gelingt es uns, für die Zukunft zu lernen.“
    Über Rachels Wangen liefen Tränen. Sie knetete ihre Hände und schüttelte den Kopf. „Du bist eine Träumerin. DeinHerz ist groß und dein Verstand getrübt!“, widersprach sie ihr unter Schluchzen. „Wir werden immer die anderen sein, argwöhnisch beäugt und verfolgt.“
    „Ich weiß das. So ist es seit alters her.“
    Anwesen des Kämmerers
    Hanno und die anderen Männer hatten geholfen, die Toten zu bestatten, und kehrten spätabends erschüttert und erschöpft zurück. Keiner von ihnen würde jemals über das Erlebte reden können, denn dafür gab es keine Worte. Die schrecklichen Bilder würden für immer Bestandteil ihrer Erinnerung bleiben. Sie selbst und ihre Kleidung rochen nach Tod und sie hatten das Gefühl, den Gestank nicht mehr loszuwerden. An diesem Abend brachte keiner einen Bissen hinunter und jeder blieb für sich.
    Widukind hatte sich entschieden, in sein Haus zurückzukehren. Die Stadt war inzwischen weitestgehend sicher und er wollte das Haus nicht leer stehen lassen, damit andere es nicht in Besitz nahmen.
    Hanno, der während der Abwesenheit seines Herrn für den Haushalt verantwortlich war, machte seinen abendlichen Rundgang. Er schaute in die Ställe, kontrollierte den Hof und das verriegelte Tor. Danach prüfte er in der Küche, ob das Herdfeuer gelöscht war, und stieg die Treppe in den ersten Stock hinauf, um dort nach dem Rechten zu sehen. Als er an das Schreibzimmer des Kämmerers kam, schimmerte ein schwacher Lichtschein unter der Tür durch. Für einen kurzen Moment erschrak er. Sollte Embricho zurückgekehrt sein, um den Inhalt des Kreuzes zu holen?
    Beherzt stieß er die Tür auf und erblickte Griseldis, die sich an dem Kruzifix zu schaffen machte. „Lass das besserbleiben, du falsche Schlange, oder du landest im Kerker“, rief er mit harter Stimme.
    Sie schrie erschrocken auf und wäre beinahe vom Stuhl gefallen. „Schleichst du dich immer an?“
    „Dringst du immer in anderer Leute Zimmer ein?“
    „Wenn es sein muss! Ich nahm an, dass dein Herr etwas Bestimmtes darin versteckt hat. Vielleicht einen Hinweis auf den Domschatz?“
    Hanno verschlug es beinah die Sprache. „Wie kommst du auf diesen Gedanken?“
    „Ich weiß, dass er auf verschiedene Verstecke verteilt wurde, was unter der Aufsicht deines Herrn geschah. Das Kruzifix an sich ist überaus kostbar. Aber als er nach dir schickte, damit du es ihm trotz der großen Gefahr durch die Kreuzfahrer bringst und du dem Befehl prompt folgtest, kam mir gleich der Gedanke, dass er es nicht wegen seines Wertes haben wollte, sondern aus einem anderen Grund. Da der Kämmerer nicht gerne teilt und seine eigenen kleinen Geheimnisse hat, wollte ich meine Vermutung gerade überprüfen. Dich hat er bestimmt auch im Unklaren gelassen und in die Irre geleitet. Habe ich recht?“, schlussfolgerte sie messerscharf.
    Ihre Annahme traf zwar zu, aber Hanno hatte endgültig genug von ihr. Sie war unverschämt und missbrauchte seine Gastfreundschaft. „Das wirst du nie erfahren! Steig jetzt von dem Stuhl und geh mir aus den Augen. Ich habe einen Fehler begangen, deine Unterstützung zu fordern. Zwar sind wir beide aus einem Holz geschnitzt und mutige Menschen, die für ihre Herren alles tun, aber wir haben eine unterschiedliche Auffassung von Ehre. Wäre der Erzbischof noch in Mainz, würde ich dich ihm übergeben, damit er dich zur Rechenschaft zieht. Du fühlst dichwahrscheinlich sicher, weil der Stadtgraf ebenfalls in die Sache involviert ist und ich dich ihm nicht übergeben kann, ohne ihn selbst in Bedrängnis zu bringen. Zudem hat der Kaiser dich geschickt, was ich verschweigen muss, wenn ich ihn nicht bloßstellen will. Du hast das Glück also auf deiner Seite – noch. Du magst auch mit dem Mord an Wolff davonkommen und erst vor Gott dafür zur Rechenschaft gezogen werden, aber den Verrat an meinem Herrn und letztendlich auch an mir verzeihe ich dir nicht. Ich ertrage deine Gegenwart nicht länger. Sobald der Tag anbricht, verlässt du das Anwesen. Ich will nicht mehr, dass du zu meiner Fürsprecherin wirst, und beharre nicht länger auf meiner Forderung. Lieber bleibe ich das, was ich bin, als durch deine Hilfe aufzusteigen.“
    „Hanno, du bist im Irrtum. Ich wollte nichts stehlen. Ich wollte mich nur vergewissern, dass der Schatz nicht in die falschen Hände fällt“, versuchte Griseldis sich herauszuwinden.
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