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Das Blut der Unsterblichen

Das Blut der Unsterblichen

Titel: Das Blut der Unsterblichen
Autoren: Christine Saamer-Millman
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konntest du ihnen nicht sagen, was sie hören wollten? Mit deiner Sturheit setzt du dein Leben aufs Spiel! Kristina ist außer sich vor Sorge, dass sie dich zum Tode verurteilen könnten.“
    „Glaubst du wirklich, sie werden das ernsthaft in Erwägung ziehen?“
    Philippe zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Wärest du in New York würde ich sagen Nein, doch die hiesigen Unsterblichen kennen dich nicht und können dein Verhalten nicht einschätzen. Einige werden sich in ihrer Entscheidung nach Nahum richten. Ich denke, von ihm wird alles abhängen. Wir müssen ihn davon überzeugen, dass du reumütig bist.“
    Marcus presste die Lippen aufeinander. „Ich werde nicht vor ihnen kriechen“, zischte er.
    „Du sollst nicht vor ihnen kriechen, du sollst nur zugeben, dass du Fehler gemacht hast, und versprechen, diese nicht wieder zu tun. Die Ratsmitglieder gehen momentan davon aus, dass du dich jederzeit wieder über die Gesetze hinwegsetzen wirst, wenn sie dich nicht angemessen bestrafen. Für sie bist du eine Gefahr für die Gemeinschaft.“
    „Du weißt so gut wie ich, dass ich das nicht tun werde“, sagte Marcus.
    „Dann sag es ihnen!“
    „Aber ich bereue nichts und Nahum wird wieder in meine Gedanken eindringen und es erkennen. Ich kann keine Reue heucheln, Philippe, dafür ist es zu spät.“
    Zornig schlug er gegen die Wand, hinterließ eine Beule in dem Metall. „Du musst Ruhe bewahren“, beschwor Philippe ihn. „Dein Zorn macht alles nur noch schlimmer. Ich könnte versuchen, Adalar zu kontaktieren, damit er für dich sprechen kann. Immerhin standest du sechzig Jahre in seinen Diensten.“
    „Adalar ist missgestimmt, seit ich vor zwei Jahren Hals über Kopf gekündigt habe und nach Frankreich gereist bin. Er würde mich sicher nicht zu Tode verurteilen, doch ob er bereit ist, sich für mich zu verbürgen, wage ich zu bezweifeln. Du weißt, wie nachtragend er ist“, sagte Marcus.
    Erneut erklangen Schritte auf der Treppe. Zwei Sekunden später standen die Unsterblichen, die Marcus zuvor in den Keller geführt hatten, vor ihnen. Sie baten Philippe höflich aber bestimmt, sich wieder nach oben zu begeben.
    „Achte bitte darauf, dass Kristina nichts Unüberlegtes tut“, rief Marcus, bevor sich die Zellentür schloss. „Und ruf Adalar an, es kann ja nicht schaden.“
    Die Stunden tröpfelten dahin. Marcus ging dazu über, die Wände nach Schwachstellen abzusuchen, doch der kalte Stahlbeton blieb undurchdringlich. Mittlerweile musste der Morgen angebrochen sein, was bedeutete, dass er noch mindestens zwölf Stunden in dieser elenden Zelle verbringen musste. Das Wummern aus dem darüberliegenden Stockwerk war verklungen. Die letzten Gäste hatten den Club verlassen. Eine tiefe Stille senkte sich über das Gebäude. Am schlimmsten empfand er die Ungewissheit. Sie zermürbte ihn und er war überzeugt davon, dass dies genau Nahums Absicht entsprach. Resigniert legte er sich auf die Pritsche, schloss die Augen und versuchte, ein Bild von Kristina heraufzubeschwören und an die schönen Momente zu denken, die sie miteinander verbracht hatten. So füllte er die Stunden mit Erinnerungen, was das Warten tatsächlich erträglicher machte. Seine Träume wurden von den Stimmen Sterblicher unterbrochen. Marcus schnupperte. Putzmittel und Gummihandschuhe – das Reinigungspersonal. Er lauschte eine Weile, bis er dem hohlen Geschwätz überdrüssig wurde. Der Abend war nicht mehr fern.
    Er stand auf und begann erneut, in der Zelle herumzulaufen. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern, bis sie ihn holen und das Urteil verkünden würden.
    Todesstrafe . Dieses Wort hing wie ein Damoklesschwert über ihm. Er war seinem Ziel so nahe. Seine Tochter, die trotz ihrer Jugend so mutig und stark war, und Kristina, die gegen alle Widerstände zu einer Unsterblichen geworden war. Endlich könnten sie ein gemeinsames Leben führen, könnten die Ewigkeit miteinander verbringen, wenn da nur nicht die drohende Gefahr seiner Hinrichtung wäre.

32
     
    Kristina saß auf einem schwarzen Ledersofa im Wohnbereich des Lofts. Sie fühlte sich verloren in dem riesigen, spärlich möblierten Raum, mit dem edlen Parkettfußboden, den hohen Fenstern und den naturbelassenen Wänden aus rotem Ziegelstein. Vereinzelt standen Möbelstücke herum, deren schlichte Eleganz sie auch für einen Laien als Designerstücke kennzeichnete. In der rechten Wand war ein Flachbildfernseher eingelassen und an einer Säule in der Mitte befand sich
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