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Das Blut der Azteken

Das Blut der Azteken

Titel: Das Blut der Azteken
Autoren: Gary Jennings
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töten, doch ein Halbblut war praktisch vogelfrei.
    Als der Mann näher kam, bemerkte ich, dass sein Gesicht nicht nur von Wunden entstellt war.
    »Er hat ein Brandmal im Gesicht«, sagte ich.
    »Die Bergwerksbesitzer brandmarken ihre Sklaven«, erklärte Miaha. »Wenn sie eingetauscht oder an andere Bergwerke verkauft werden, bekommen sie weitere Brandzeichen. Dieser Mann hatte schon viele Besitzer.«
    Bruder Antonio hatte mir von diesem Brauch erzählt. Viele frühe Siedler hatten ihre Indios gebrandmarkt, manchmal sogar mitten auf der Stirn, damit sie sich nicht aus dem Staub machen konnten. Nach einer Weile verbot der König das Brandmarken von Arbeitskräften, und man wandte es nur noch bei den Zwangsarbeitern und Verbrechern an, die sich in den gefürchteten Silberminen abplagten.
    Ich hörte die Indios, die aus ihren Hütten gekommen waren, das Wort casta zischen, eine Beleidigung, die ebenso mir galt wie dem Bergwerkssklaven. Als ich mich zu den Leuten umdrehte, fing einer der Männer meinen Blick auf und spuckte auf den Boden.
    »Schwachkopf!«, zischte meine Mutter ärgerlich.
    Der Mann versteckte sich hinter den anderen, um nicht den Zorn meiner Mutter auf sich zu ziehen. Auch wenn die Dorfbewohner mich als Mischling ablehnten, war Miaha doch eine reinblütige Indianerin; weil sie wussten, dass Don Francisco hin und wieder mit ihr schlief, wollten sie sie nicht gegen sich aufbringen. Meine eigene Rolle als mutmaßlicher Bastard des Adligen brachte mir hingegen keine Vorteile. Dass ich genau genommen mit Don Francisco verwandt war, zählte nicht.
    Auch die Indios waren Verfechter des reinen Blutes, und ich verkörperte in ihren Augen noch mehr als einen Verstoß gegen diesen Grundsatz. Schließlich erinnerte sie mein Anblick täglich daran, dass die Spanier ihre Frauen vergewaltigten und ihnen das Land geraubt hatten.
    Ich war nur ein kleiner Junge, und es brach mir das Herz, inmitten von unverhohlener Verachtung aufwachsen zu müssen.
    Als der Mann zu uns hinübergetrieben wurde, konnte ich mir sein schmerzverzerrtes Gesicht genauer ansehen.
    Ich weiß nicht, warum sein gequälter Blick mich traf. Vielleicht erkannte er an meiner helleren Haut und meinen Zügen, dass ich ebenfalls nicht reinblütig war. Vielleicht war ich auch der Einzige, dem Entsetzen und Furcht deutlich anzumerken waren.
    » Ni thaca!«, schrie er mir entgegen. Wir sind auch Menschen!
    Er riss mir meinen Speer aus der Hand. Doch anstatt sich umzudrehen und die beiden Soldaten damit anzugreifen, rammte er sich den Speer in den Bauch und stürzte sich hinein. Blutblasen quollen ihm aus dem Mund und aus der Wunde, als er sich im Staub wand.
    Meine Mutter zog mich beiseite, als die Soldaten von ihren Pferden stiegen. Einer schlug auf den Mann ein und beschimpfte ihn, weil er sie um die Belohnung gebracht hatte.
    Der andere zog sein Schwert und beugte sich über ihn. »Sein Kopf. Für den Kopf und das Gesicht mit den Brandmalen können wir noch was kriegen. Der Bergwerksbesitzer wird ihn zur Abschreckung für andere, die davonlaufen wollen, auf einen Pfahl stecken.«
    Er begann, am Hals des Mannes herumzuschneiden.

2
    So wuchs ich von einem Kleinkind, das im Staub krabbelte, zu einem Jungen heran, der weder braun noch weiß, weder Spanier noch Indio war. Nur in der Hütte meiner Mutter und in der kleinen Steinkirche von Bruder Antonio war ich willkommen.
    Meine Mutter empfing Don Francisco häufig bei sich. Er erschien jeden Samstagnachmittag, wenn seine Frau und seine Kinder die Doña einer benachbarten Hacienda besuchten.
    Wenn er kam, wurde ich stets weggeschickt. Da die Kinder im Dorf nicht mit mir spielten, erkundete ich die Ufer des Flusses, fischte und erfand mir meine eigenen Spielgefährten. Als ich einmal umkehrte, um meinen vergessenen Speer zu holen, hörte ich aus der mit Vorhängen abgetrennten Ecke, in der meine Mutter schlief, seltsame Geräusche. Ich spähte durch den Vorhang und sah meine Mutter nackt auf dem Rücken liegen. Der Don kniete über ihr und machte mit seinem Mund schmatzende Geräusche an ihrer Brust. Sein behaarter Hintern streckte sich mir entgegen.
    Verängstigt floh ich aus der Hütte und rannte zum Fluss.
    Den Großteil des Tages verbrachte ich bei Bruder Antonio, von dem ich mehr Liebe und Zuneigung erfuhr als von Miaha. Sie behandelte mich zwar gut, doch mir fehlten die Wärme und Nähe, die ich bei anderen Kindern und ihren Müttern beobachtete. Tief in meinem Innersten hatte ich stets das Gefühl,
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