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Das blaue Haus (German Edition)

Das blaue Haus (German Edition)

Titel: Das blaue Haus (German Edition)
Autoren: Marion Schreiner
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ihn ein. Alles war wie immer und damit perfekt. Die Zeit drängte. Sein Herz raste. Seine Beine waren auch stabil genug zum Laufen. Dann ging alles sehr schnell. Es war nur ein Huschen, und er stand vor unzähligen Medikamenten. Der Anblick machte ihn taub. Jetzt war er am Ziel angelangt und fühlte sich taub. Seine Blicke kreisten umher. Das Karussell der Leptika drehte sich. Er schwankte. Ihm wurde übel. Gleich würden die Pfleger kommen. Dann wäre alles aus. Alles würde zu einem Rückschritt werden. Wie lange würde er wieder brauchen, um einen neuen Plan zu entwickeln?
Er drückte auf seine Schläfen, um der Angst zu entkommen. Das Karussell blieb stehen. Es waren lange Sekunden, bis er begriff, dass die Medikamente sortiert waren. Er spürte wieder die Panik und dachte an die Pfleger. Verzweifelt konzentrierte er sich und versuchte, die Aufschrift der Medikamente zu lesen. Zur linken Seite standen Leptika, zur rechten die Analeptika. Damit brach ihm der Schweiß aus. Das Ende. Was um Himmels willen waren Leptika? Er sah wieder auf die vielen Röhrchen und Dosen. Nirgends war eine Beschreibung oder Ähnliches zu finden, nur Fachbezeichnungen, die kaum zu lesen und auszusprechen waren. Sekunden wurden zu Minuten. Er dachte wieder an die Pfleger. Es war ruhig auf der Station geworden. Joseph war fertig! Wo waren die Pfleger jetzt? In seinem Zimmer? Vor seinem leeren Bett oder gar schon an der Tür zu diesem Zimmer hier? Kein Schritt war zu hören, keine Stimme sprach. Dane wagte es nicht, zur Tür zu sehen. Einer Ohnmacht nahe griff er zu einem Röhrchen von den Leptika und entnahm eine kleine hellblaue Pille. Die verschwand in seiner rechten Hand.
Jetzt sah er zur Tür. Niemand stand im Rahmen und beobachtete ihn. Das schenkte ihm den ersten großen Atemzug. Er huschte zur Tür, sah über den Flur – niemand. Alles war ruhig. Zu ruhig! Waren sie in seinem Zimmer und warteten dort, lächelnd und mit neuen Fesseln und Medikamenten? Er spürte die Pille in seiner Hand. Sie war klein, wie sein Mut. Er huschte zu seinem Zimmer. Niemand da. Sein Bett stand leer in der Mitte des kleinen Raumes. Zum ersten Mal nahm er die sterile Atmosphäre seiner Umgebung wahr – ein weißer Tod. Er war vom Tod umgeben und hatte es nicht bemerkt. Stimmen wurden laut. Sie jagten ihn in sein Bett. Dann schlug Josephs Tür zu, und ein Pfleger kam an seine Tür und schob einen kleinen Versorgungswagen vorweg. Dane spürte wie jeden Abend einen kalten Waschlappen in seinem Gesicht und ein undefinierbares Gefummel an seinen Zähnen. Das Licht erlosch, und die Tür schloss sich. Alleine. Er hatte überlebt! Er schluckte die Pille hinunter und wartete auf das, was da kommen mochte. Kurz darauf schlief er tief und fest ein und verpasste sogar die morgendliche Weckzeremonie der Station, wenn im Flur der Gong fünfmal anschlug und der Ruf: „Es ist sieben“, zu hören war.
Keiner von den Patienten verstand je diese Kombination – auch das Personal nicht. Geändert wurde es nie. Im wahrsten Sinne des Wortes ein Irrenhaus.
Dane wurde gegen neun erst wieder wach, und es war das erste Mal seit langer Zeit, dass er so tief und lange durchgeschlafen hatte. Das tat ihm nicht nur gut, es schenkte ihm auch die ersten Erkenntnisse über seine Medikamentenwahl. Er musste sich eines starken Schlafmittels bemächtigt haben. Die Leptika-Seite musste demzufolge die dämpfende Seite sein, wogegen die Analeptika-Seite die anregende Seite sein musste.
    Als Sarah den Abend darauf wieder an seinem Bett verbrachte, hatte er große Mühe, seine Mitteilungsfreude vor ihr zu verbergen. Er begann, in Gedanken mit ihr zu reden und von seiner großartigen Entdeckung zu berichten, während sie ihm zum ersten Mal behutsam eine Suppe einflöße, die er diesmal sogar herunterschluckte. Dann las sie ermutigt aus einem Buch vor und freute sich, dass Dr. Bricksons Versuch zu klappen schien. Dane nahm die erste Nahrung zu sich. Das musste er jetzt. Sonst würden die Medikamente ihn umbringen.
>Umbringen, dachte er nur noch. Umbringen.
Die ganze Nacht jagte er diesem Wort nach. Es barg irgendeine Idee in sich. Wenn er tot wäre, würde er von dieser Station kommen. Wenn er tot wäre ... Wenn er scheinbar tot wäre. Scheinbar. Ein Scheintod. War das die Lösung?
    Um 21.43 Uhr war er wieder unterwegs. Für Dane war klar, dass er sich weiter auf der Leptika-Seite bedienen musste.
Er versorgte sich seitdem jeden Abend mit einem anderen Medikament, wobei er in der Nacht sehr
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