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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe
Autoren: Heidi Rehn
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wenigstens ließ Carlotta kurz aufatmen. Sie wusste, es war seine Art, Unterstützung zu signalisieren. Ebenso konnte sie sich auf den alten Martenn Gerke verlassen. Nicht weit von den vieren saß er unter der dicksten der alten Linden auf einer Bank. Im milden Licht der Augustsonne wirkten die Schluppen an seiner Rheingrafenhose noch bunter als sonst, auch Rock und Kragen strahlten in auffälligem Rot. Die farbenfrohe Kleidung konnte indes nicht darüber hinwegtäuschen, wie ausgezehrt und müde er war. Dennoch rang er sich ein scheues Lächeln ab. Apotheker Heydrich deutete das als Zustimmung und begann, laut Beifall zu klatschen. Damit schien der Bann gebrochen. Nach und nach hoben auch die anderen Räte die Hände. Die Kaufleute und Handwerker taten es ihnen endlich nach. Bald erklangen die ersten Bravorufe.
    »So machen wir es!«
    »Auf, Zimmermann, holt uns die Särge.«
    »Wer stellt sich als Träger zur Verfügung?«
    Vorsichtig spähte Carlotta zu ihrer Mutter. Die hatte sich ganz in den Spielmannswinkel zurückgezogen. Doch als selbst die griesgrämige Kaufmannswitwe Ellwart Jubelrufe anstimmte, winkte sie Carlotta stolz zu.
    »Verehrtes Fräulein Grohnert«, verbeugte sich Roth anerkennend, »Euer Vorschlag stößt auf breite Zustimmung. Ich bin stolz, Euch zu den Töchtern unserer Stadt zu zählen. Euer Denken beweist nicht nur den unerschrockenen Mut, sondern zweifelsohne auch den Witz, der uns Königsberger Bürgern von jeher zu eigen ist. Zwar weilt Ihr erst seit wenigen Jahren bei uns am Pregel, dennoch überrascht mich das nicht. Immerhin gehen Eure Wurzeln auf alteingesessene Kaufmannsgeschlechter des Kneiphofs zurück.« Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu.
    »Danke.« Carlotta knickste brav. »Ohne diese Wurzeln wäre ich wohl kaum auf die Idee verfallen. Wollen wir nur hoffen, dass uns die List auch hilft.«
    »Wie könnt Ihr daran zweifeln?«, meldete sich Schimmelpfennig wieder zu Wort. »So kühn, wie der Plan ist, und so gut er zu uns Kneiphofern passt, so töricht hat sich bislang doch auch der Kurfürst stets erwiesen.«
    »Wollen wir es hoffen. Wenn es nämlich tatsächlich zum Schießen kommt, werden wir Kneiphofer uns am Ende rasch als die wahren Tölpel erweisen.«

Erster Teil A
    Der Aufstand
    Königsberg
    Herbst 1662
    1
    C arlotta kicherte. Christoph Keplers blumige Art zu erzählen amüsierte sie. »Du übertreibst mal wieder maßlos! Nur tumbe Ochsen und gackernde Hähne um dich her, das ist doch gar nicht zum Aushalten!« Übermütig warf sie den Kopf in den Nacken. Natürlich wusste sie, wie bezaubernd ihre rotblonden Locken im Sonnenlicht leuchteten. Ein Seitenblick auf den jungen Medicus genügte, sich der gewünschten Wirkung zu versichern. »Unter all den Professoren und Studenten muss es außer dir doch mindestens noch einen weiteren vernünftigen Kopf gegeben haben«, lockte sie weiter. »Immerhin hat dich dein Vater an die besten Universitäten Europas geschickt.«
    »Was denkst du, Teuerste?« Christoph tat empört, nahm den schwarzen Spitzhut vom Kopf und neigte den stämmigen Oberkörper, um einen eleganten Kratzfuß anzudeuten. Dabei schrappte sein rechter Schnallenschuh über den trockenen Staub auf dem Altstädter Kirchplatz. Das blankpolierte Schwarz des Leders verwandelte sich in unansehnliches Grau. »Nichts liegt mir ferner, als dich über die wahren Zustände an diesen Orten höchster Weisheit in die Irre zu führen.« Abrupt richtete er das aschblonde Haupt auf und zwinkerte ihr aus den grauen Augen schelmisch zu. »Schließlich erinnere ich mich nur zu gut, wie sehr du seit jeher darauf brennst, das wahre Studentenleben kennenzulernen. Auch wenn wir uns lange nicht gesehen haben, wird sich daran wenig geändert haben.«
    Neckend versetzte er ihr einen sanften Nasenstüber. Sie stemmte mit gespielter Empörung die Hände in die Hüften. »Dafür hat sich bei dir wohl Entscheidendes geändert. Soweit ich mich erinnere, sind wir uns gestern erst in Heydrichs Apotheke begegnet. Wenn dein Gedächtnis dir inzwischen zu schaffen macht, weiß ich hervorragende Tropfen gegen diese Art von Beschwerden.«
    »Da handelt es sich gewiss um eine Rezeptur deiner berühmten Frau Mama, der allseits geschätzten Magdalena Grohnert.« Von neuem zwinkerte er belustigt. »Keine Sorge, meine liebe Carlotta! Natürlich ist mir nicht entfallen, dich gestern erst getroffen zu haben. Wie könnte ich eine Begegnung mit dir je vergessen? Trotzdem leide ich darunter, deine Gegenwart viel
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