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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe
Autoren: Heidi Rehn
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tüchtigen Statthalter im Geschäft zu haben.«
    »Das ist es in der Tat«, erwiderte sie. »Noch dazu, wo seine Frau, die gute Lina, unserer alten Hedwig weiterhin im Haus so tatkräftig unter die Arme greift. Dabei erwartet sie selbst bald ein Kind.«
    »Das freut mich zu hören.« Grünheide zwirbelte den grauen Bart. »Dann wächst der Hausstand in der Langgasse tüchtig an. Wollen wir hoffen, es bleiben uns im Kneiphof fortan Aufregungen wie die des letzten Jahres erspart. Dann sehen alle unsere Nachkommen einer prächtigen Zeit entgegen.«
    »Hier steckt ihr«, erklang eine laute Stimme. Sie drehten sich um. Caspar Pantzer schlurfte heran.
    »Wir Löbenichter haben unser Soll bereits erfüllt«, verkündete er mit einem belustigten Schmunzeln. »Der Eid liegt hinter uns. Dafür dürfen wir als Erste vorn auf dem Festplatz den Adler bestaunen, der angeblich nur sauren Wein ausspuckt. Wenn wir Glück haben, sammeln wir auch all die goldenen und silbernen Münzen ein, bevor ihr Kneiphofer dazukommt. Die kurfürstlichen Kämmerer streuen sie bereits eifrig unters Volk, wie man hört. Es geschieht euch schwierigen Burschen nur recht, wenn ihr einmal beim Geldscheffeln das Nachsehen habt.«
    Lachend tätschelte er Christoph die Schulter und warf Carlotta eine Kusshand zu, bevor er in der nach draußen eilenden Menge verschwand.
    »Er ist und bleibt ein Schelm«, entschlüpfte es Carlotta. »Nicht einmal die neue Würde des Hofapothekers ändert etwas daran.«
    »Das wäre auch schade«, erwiderte Christoph. »Schließlich ist er uns so, wie er ist, ans Herz gewachsen.«
    »Bin ich dir eigentlich auch ans Herz gewachsen?«
    Sie stellte sich auf die Zehen, um ihm geradewegs in die grauen Augen zu schauen.
    »Mein ganzes Herz ist erfüllt von dir, meine Liebe.« Schelmisch zuckte es um seinen Mund.
    »Du bist und bleibst ein listiger Königsberger.«
    »Hast du dir den nicht immer zum Gemahl gewünscht?«
    »Nur, wenn er brav dabei bleibt, was er tun soll«, erwiderte sie leise.
    »Und das wäre?«
    »Das weißt du genau: allein mit Worten scharf zu schießen und niemals zu scharfen Waffen zu greifen.«

Nachbemerkung

    K önigsberg im Herbst 1662 – das ist noch nicht jene (ost-)preußische Stadt, die aus der jüngsten Geschichte bekannt ist. Noch bilden die drei eigenständigen Städte Altstadt, Löbenicht und Kneiphof Königsberg, 1724 erst werden sie zu einer Stadt vereinigt. Einig aber sind sich die eigenständigen Bürgerschaften bereits 1662 in einem wichtigen Punkt: Die von Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620–1688), dem »Großen Kurfürsten«, verlangte zusätzliche Steuer, mit der er den Unterhalt eines stehenden Heeres finanzieren will, ist nicht zu akzeptieren. Seit Mai 1661 tagt dazu der Landtag im Altstädter Schloss, ohne dass eine Lösung in Sicht wäre. Natürlich geht es bei diesem Streit weniger um die neue Steuer als darum, dass Friedrich Wilhelm seine Machtposition im Sinne des Absolutismus ausbauen und langfristig sichern will. Durch geschicktes Taktieren ist es ihm bereits gelungen, dem zuvor unter polnischer Lehnsherrschaft stehenden Herzogtum Preußen die volle Souveränität zu verschaffen (vgl. die Verträge von Labiau 1656, Wehlau und Bromberg 1657 sowie Oliva 1660).
    Die drei Städte Königsberg begehren dagegen auf, gereicht ihnen dieser Status doch eher zum Nachteil und beschränkt ihre in Jahrhunderten erkämpften Sonderrechte, die sie seit den Zeiten des Deutschen Ordens genießen. Selbst während der polnischen Lehnsherrschaft mussten sie nicht darauf verzichten. Deshalb reist der Kneiphofer Schöppenmeister Hieronymus Roth im Frühjahr 1662 heimlich zum polnischen König Johann II. Kasimir nach Warschau, um sich – »wie in alten Zeiten« – dessen Unterstützung als Lehnsherr zu versichern. Als der daraus resultierende Bundesbrief von den Vertretern aller drei Städte Königsbergs unterzeichnet werden soll, kommt es zur Spaltung der bis dato einheitlichen Front der Stände. Auf Druck von Friedrich Wilhelms Statthalter, Fürst Radziwill, rückt der Altstädter Schöppenmeister von diesen Plänen ab. Ein zweites Bittschreiben an den polnischen König kommt nicht mehr zustande, weil sich die Räte der Altstadt von der Wiederherstellung der polnischen Lehnshoheit in Königsberg distanzieren. Dafür aber marschieren die kurfürstlichen Truppen auf die drei Städte am Pregel zu.
    In einigen Darstellungen ist die Anekdote überliefert, die Kneiphofer hätten drei leere Särge aus
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