Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
anzusehen. Er aber zog sie gleich hinter den Rücken zurück.
    »Nicht nötig.«
    »Seht Ihr«, mischte sich Boye ein und polierte seine angelaufenen Brillengläser, »das gute Fräulein bietet selbst Euch seine Hilfe an. Und das, nachdem Ihr ihm und der guten Frau Grohnert so übelwolltet. Höchste Zeit«, er wandte sich mit einer tiefen Verbeugung an Carlotta, »dass wir uns bei Euch offen entschuldigen. Die gesamte Kaufmannschaft aus dem Kneiphof, der Altstadt und dem Löbenicht, kurz gesagt alle aus dem gesamten Königsberg sind froh, Euch und in Kürze auch Eure Mutter wieder in der Stadt zu wissen. Wollen wir hoffen, dass damit alle Missverständnisse ausgeräumt sind.«
    Er setzte sich die Brille wieder auf die Nase und sah zufrieden von einem zum anderen. Farenheid und Gellert wirkten leicht verschnupft, und Carlotta mühte sich, nicht laut aufzulachen. Zu deutlich stand ihr vor Augen, wie die drei Herren in der Nähe des Fischmarkts so böse über die Mutter und sie hergezogen hatten. Kaum zu fassen, wie sie nun darum buhlten, einen anderen Eindruck zu hinterlassen.
    »Was heißt, es galt, Missverständnisse auszuräumen?«, warf Farenheid entrüstet ein. »Erstens wollte keiner hier den verehrten Grohnert-Damen übel. Da habt Ihr wohl etwas gründlich missverstanden, mein Bester.«
    Sein rechter Zeigefinger schnellte nach vorn und tippte Boye anklagend gegen die Brust. »Wir waren einfach nur besorgt, was sich um die Damen zusammengebraut hat. Schließlich seid Ihr gänzlich ohne männlichen Beistand.«
    »Und als Ihr dann auch noch so überstürzt die Stadt verlassen habt, wurde uns mulmig«, pflichtete Gellert bei. »Bei Nacht und Nebel, im dichtesten Schneetreiben – was hätte Euch da nicht alles zustoßen können! Noch dazu, wo Tromnau und Hohoff sehr rauhe Burschen sind. Da hätte es wahrlich weitaus bessere Gesellschaft für Euch gegeben als ausgerechnet die beiden Löbenichter Kaufleute.«
    Farenheid schnaubte, weil er offenbar befürchtete, der andere stehle ihm die Aufmerksamkeit. Brüsk schob er sich wieder nach vorn. »Zweitens bilden wir hier sozusagen eine Art Vertretung für die übrigen Zunftgenossen, die schlechterdings nicht alle hatten hierherkommen und die hochgeschätzte Frau Grohnert begrüßen können. Gestattet uns also, verehrtes Fräulein Grohnert, dass wir uns zu Euch gesellen und gemeinsam mit Euch auf das Eintreffen des Wagens warten.«
    Laute Schritte draußen auf dem Beischlag ließen sie allesamt herumfahren. Männerstimmen drangen herein. Carlottas Herz machte einen kleinen Sprung, als sie sie erkannte. Noch bevor die beiden Mägde ihr zuvorkommen konnten, eilte sie zur Tür und riss den schweren Türflügel auf. Verdutzt sah der alte Kepler sie an. Christoph, der seinen Vater nicht viel überragte, zwinkerte ihr frech über die Schulter des Alten hinweg zu.
    »Mir scheint, Ihr habt uns schon erwartet«, posaunte Ludwig Kepler und lupfte den spitzen Hut. »Oh, ich sehe, Ihr habt viel Besuch. Gott zum Gruße, meine Herren«, lächelte er den Kaufleuten zu, die ob des unerwarteten Auftauchens des kurfürstlichen Leibarztes bestürzt schienen.
    »Wie schön, Euch hier zu treffen. Dann können wir alle gemeinsam der verehrten Frau Grohnert einen großen Empfang bereiten. Noch dazu habe ich allerbeste Neuigkeiten.« Vergnügt zwinkerte er Carlotta zu. »Der gute Caspar Pantzer befindet sich, wie ich höre, ebenfalls mit in dem Wagen, der sie zu uns an den Pregel zurückbringt. Eben habe ich von der ehrwürdigen Universität die Zustimmung erhalten, den jungen Apotheker aus dem Löbenicht alsbald ins Kollegium einzuladen. Dort wird er uns die Mischung jener berühmten Wundersalbe vorführen, die die verehrte Frau Grohnert einst von ihrem Lehrmeister erhalten hat. Mein Sohn«, er wies auf Christoph, der sich bislang im Hintergrund gehalten und Carlotta immerzu verzückt angelächelt hatte, »wird ihm dabei assistieren und die Wirksamkeit der Salbe aus medizinischer Sicht erläutern. Damit tritt der gute Pantzer ganz in die Fußstapfen seines verehrten Vaters, der einst seinen berühmten Theriak in der Albertina präsentiert hat. Was sagt Ihr dazu?«
    Beifall heischend schweifte sein Blick über die Anwesenden. Carlotta vermochte sich jedoch nicht so recht zu freuen. Auch wenn Pantzer letztlich der entscheidende Schritt zur Entschlüsselung der Salbenrezeptur gelungen war, so hatte sie doch viel Vorarbeit geleistet. Sie spürte einen Arm auf ihrer Schulter. Unbemerkt war Christoph
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher