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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe
Autoren: Heidi Rehn
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heiser und packte sie sacht an den Schultern; seine narbigen Wangen glühten, um seine Mundwinkel zuckte es, »Ihr seid bereit, den Funken Hoffnung endlich kräftiger anzufachen?«
    »Nicht nur das«, erwiderte sie, »ich will ihn richtig zum Lodern bringen. Hoffentlich erlischt er erst in weiter Zukunft.«
    »Das hoffe ich auch.«
    Abermals umschlang er sie und küsste sie. Leidenschaftlicher noch als vorhin gab sie sich ihm hin. Dieses Mal war es an ihm, als Erster abzulassen. Verlegen hüstelte er in die Faust.
    »Verzeiht, meine Liebe. Sosehr mich das unverhoffte Glück berauscht, so sehr muss ich mich doch auch wieder darauf besinnen, einen klaren Kopf zu behalten.«
    »Habt keine Angst, mein Bester, auch dabei unterstütze ich Euch gern.«
    »Daran hege ich nicht den geringsten Zweifel.« Er verbeugte sich leicht. »Deshalb möchte ich Euch bitten, mich gleich jetzt ins Spital zu begleiten. Ich muss dringend mit Eurer Base und Eurem Neffen sprechen. Euer Beistand könnte mir dabei von großem Nutzen sein.«
    »Lasst mich raten: Es geht darum, Mathias von hier wegzubringen und vor dem Zugriff der Kurfürstlichen zu retten.«
    »Die Zeit drängt. Je länger er hierbleibt, desto mehr wächst die Gefahr, entdeckt zu werden.«
    Wenig später hasteten Magdalena und Helmbrecht Seite an Seite den Berg hinauf, am Dom und dem Domherrenstift vorbei zum Heilig-Geist-Spital. Die Dezembersonne glitzerte auf dem gefrorenen Schnee. Mehrmals schloss Magdalena geblendet die Augen, so hell erschien ihr das Licht nach all den Tagen in Hartungs dämmrigem Wunderkabinett. Helmbrecht schritt so weit aus, dass sie Mühe hatte, gleichauf zu bleiben. Außer ihnen war kaum jemand unterwegs.
    »Was denkt Ihr?« In abgehackten Worten berichtete Helmbrecht derweil, wie er sich die weitere Entwicklung vorstellte: »Mathias wird inzwischen wohl kräftig genug sein, einige Stunden im Sattel zu verbringen. Die erste Etappe führt bis Elbing. Zwar ist es vom polnischen König an den Kurfürsten verpfändet, doch es halten sich dort zurzeit keine preußischen Truppen in nennenswerter Zahl auf. Wenig wahrscheinlich also, dass Mathias dort von einem ehemaligen Kameraden erkannt wird. Anschließend geht es die Weichsel hinauf und letztlich über Lodz nach Krakau. Befreundete Kaufleute werden ihn dort aufnehmen. Gewiss kann er da auf Dauer bleiben und sich eine eigene Existenz aufbauen.«
    »Das klingt, als müsse er sich für die nächsten Jahre auf eine Lehrzeit in einem Handelskontor einstellen«, hakte Magdalena ein. »Das wird ihn nicht sonderlich freuen.«
    »Solange ihm nur die Wahl zwischen Galgen und Kontor bleibt, dürfte selbst ihm die Entscheidung leichtfallen.«
    Helmbrecht gab sich ungerührt.
    »Ich bin Euch von Herzen dankbar, dass Ihr Euch ein weiteres Mal für meinen Neffen einsetzt. Dabei seid Ihr ihm gegenüber zu nichts verpflichtet.«
    »Ihm gegenüber sicher nicht, aber Euch«, warf er mit einem Augenzwinkern ein. Sie blieben stehen, sahen einander an. »Es wird Zeit, dass wir die Förmlichkeiten lassen. Findest du nicht?«
    »Hier, nur wenige Schritte vom Eingang zum Domherrenstift entfernt?«
    Sie lachte. Schon beugte er sich vor und küsste sie ungeachtet der Örtlichkeiten und der Frage nach der Schicklichkeit. Sie genoss es, das altbekannte Kribbeln im Bauch endlich wieder zu spüren. Seit vielen Jahren hatte sie nicht mehr so empfunden. Glücklich schmiegte sie sich an ihn. Viel zu schnell ließ er sie wieder los. Sein Blick war ernst.
    »Was ist dir auf einmal?«, fragte sie. »So rasch wird keiner der ehrwürdigen Herren herauskommen und uns schelten.«
    Helmbrecht erwiderte nichts, sondern wandte den Kopf und sah nach Osten hinüber, in die Weite des winterlich eingekleideten Landes. Magdalena begriff.
    »Du selbst bringst Mathias nach Krakau, nicht wahr?«
    Bang studierte sie die Regungen auf seinem Gesicht, beobachtete, wie der bernsteinfarbene Grundton in seinen Augen sich aufhellte, auch die Narben auf den Wangen an Farbe gewannen.
    »Wann?«, fragte sie und wusste im selben Moment schon die Antwort. »Also heute noch. Ich hätte es mir denken können.«
    Damit war es an ihr, sich ebenfalls abzuwenden. Die aufsteigenden Tränen sollte er nicht sehen.
    »Meine Geschichte scheint sich immer aufs Neue zu wiederholen«, sagte sie leise und rang dabei um einen ruhigen Ton. Sie wartete einige Atemzüge lang. Dann erst sprach sie weiter. »Es ist wohl immer das Gleiche: Kaum habe ich meine Liebe gefunden, steht der
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