Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
Vorteil, dass ich im Zweifelsfall gar nicht umkippen kann. Als frisch gekürter Stadtphysicus des Kneiphofs wirst du zudem Mittel und Wege finden, mich davor zu schützen.«
    Sie zwinkerte ihm zu. Erst seit Beginn des Oktobers hatte er das Amt inne und fühlte sich noch nicht sonderlich wohl in seinen Würden.
    »Davon abgesehen«, fuhr sie leiser fort und drückte ihm beruhigend die Hand, »möchte ich genau wie alle hier versammelten Edelleute, Stadtoberen, Beamte und Bürger der drei Städte am Pregel dem Kurfürsten den Schwur vor aller Augen in die Hand leisten. Der Weg hierher ist lang und beschwerlich genug gewesen. Gerade wir Kneiphofer haben uns heftig widersetzt und stehen auch jetzt nicht sonderlich freudig im Schlosshof. Umso besser ist es, die bittere Pflicht jetzt so schnell wie möglich hinter uns zu bringen. Das Zittern der Stimme, das Schwitzen und Zaudern beim Kniebeugen wird dann eher den herrschenden Bedingungen als der weiter vorhandenen Halsstarrigkeit zugerechnet.«
    »Du bist unverbesserlich.«
    »Deshalb hast du mich doch geheiratet, Liebster.«
    Nicht allein die Enge im Schlosshof machte den Königsbergern zu schaffen. Gott, der Allmächtige, erwies sich Friedrich Wilhelm und seinem mühsam errungenen Sieg über die Stände auf seine Art wohlgefällig. Der Oktober zeigte sich von seiner goldenen Seite. Die Sonne strahlte vom blauen Himmel und sorgte bereits seit den frühen Morgenstunden für ungewöhnlich warme Witterung. Kein Lüftchen regte sich. Bald waren die hochroten Köpfe der Menschen im Schlosshof weniger dem schwelenden Unmut über den verlangten Eid als der spätherbstlichen Hitze geschuldet.
    Zumindest der Bischof bewies ein Einsehen und fasste sich in seiner Festpredigt kurz. Damit konnte der Kurfürst endlich seinen Ehrenplatz erklimmen. Bevor er aber das lange Defilee der Stände abnahm, erhob er erst noch seinen Obersekretär Fabian von Kalau für seine Verdienste in den Adelsstand. Ein ungeduldiges Raunen erhob sich in der Bürgerschaft. Die zur Einhaltung der Ordnung abgestellten Soldaten hatten Mühe, der Unruhe Einhalt zu gebieten. Emsig mühten sich die Blauröcke, die protestierenden Bürger in eine Reihe zu drängen. Nur so war gewährleistet, dass jeder ordentlich den Eid in die Hand des Kurfürsten ablegte, den Kalau nicht müde wurde, bei jedem Einzelnen immer wieder aufs Neue zu verlesen.
    »Kein Wunder, dass sie unruhig werden«, meinte Christoph und setzte sich in Bewegung, um seiner leidigen Pflicht nachzukommen, »schließlich ist es eine Qual, hier drinnen zusammengepfercht wie das Schlachtvieh zu stehen, derweil draußen auf dem Schlossplatz Bier und Wein auf die durstigen Kehlen warten.«
    »Dabei wäre es ein Einfaches gewesen, die Herzen der Königsberger zu erobern.«
    Carlotta folgte ihm durch das Gedränge ans Ende der Schlange. Zum Protest eröffneten die Kneiphofer zwei Schritte neben den Altstädtern und Löbenichtern eine eigene Reihe. Kurz zögerte der gebürtige Altstädter Christoph, wohin er sich stellen sollte.
    »Natürlich gehört Ihr jetzt zu uns Kneiphofern, mein lieber Physicus.« Ein elegant gekleideter Kaufmann klopfte ihm auf die Schultern. »Oder wollt Ihr uns verleugnen, weil wir Euch weiterhin zu aufmüpfig sind?« Aus dem wettergegerbten Gesicht strahlten ihm zwei helle Augen gutmütig entgegen.
    »Lieber Grünheide, wie schön, Euch zu sehen«, grüßte Carlotta den spitzbärtigen Kaufmannsgenossen.
    »Gott zum Gruße, verehrte Keplerin«, erwiderte der alte Freund ihrer Mutter. »Wie ich sehe, geht Ihr mit großen Schritten dem freudigen Ereignis entgegen.« Gutmütig nickte er auf ihren schwangeren Bauch. »Ich hoffe, es geht alles gut. Aber im Hause einer so gelehrigen Wundärztin und eines hervorragenden Medicus sollte eigentlich nichts schiefgehen. Eure verehrte Frau Mutter wird sich gewiss gefreut haben, davon zu hören. Hat sie gar vor, aus ihrer neuen Danziger Heimat für einige Zeit wieder in die Langgasse zurückzukehren? Die Geburt eines Enkelkinds ist doch ein willkommener Anlass, nach den alten Zunftgenossen am Pregel zu sehen. Ihr Gemahl, der hochgeschätzte Helmbrecht, wird gewiss nichts dagegen einzuwenden haben. Vielleicht begleitet er sie sogar. Obendrein können die beiden das damit verbinden, dem guten Steutner ein wenig auf die Finger zu sehen. Neidvoll muss ich eingestehen, dass Euer Kontorist die Erfolge Eurer Mutter an der Börse noch in den Schatten stellt. Es ist wirklich ein Glücksfall, einen so
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher