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Das Anastasia-Syndrom

Titel: Das Anastasia-Syndrom
Autoren: Mary Higgins Clark
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zurückzugehen in die Vergangenheit.
    Ihre Adoptiveltern sind tot, und Sie empfinden es nicht mehr als Treulosigkeit ihnen gegenüber, wenn Sie nach Ihren leiblichen Angehörigen forschen. Und schließlich beschleunigt das Leben in London diese Vorfälle. Daß Sie in Ihrer Phantasie ein kleines Kind die Peter Pan-Statue in Kensington Gardens berühren sahen, läßt sich wahrscheinlich ganz leicht erklären. Sie könnten sehr wohl dort als Kind gespielt haben. Die Sirenen, die Bomben. Vielleicht haben Sie Luftangriffe erlebt, wobei sich dann allerdings die Frage erhebt, wieso Sie allein in Salisbury herum-irrten. Und nun möchten Sie, daß ich Ihnen helfe?«
    »Bitte, Sie haben gestern gesagt, daß Sie Menschen in die früheste Kindheit zurückversetzen können.«
    »Das gelingt nicht immer. Willensstarke Personen, zu denen ich Sie mit Sicherheit rechnen würde, kämpfen gegen die Hypnose an. Sie haben das Gefühl, Hypnose bedeutet, sich einem fremden Willen zu unterwerfen. Deshalb brauche ich Ihre Ein-willigung, diesen Widerstand, falls nötig, durch Verabreichung eines leichten Medikaments zu neutralisieren. Denken Sie dar-
    über nach. Können Sie nächste Woche wiederkommen?«
    »Nächste Woche?« Natürlich durfte sie nicht erwarten, daß er sie sofort behandeln könnte. Judith rang sich ein Lächeln ab.
    »Morgen früh rufe ich Ihre Sprechstundenhilfe an wegen eines Termins.« Sie wollte auf den Tisch zugehen, auf dem sie ihre Umhängetasche und die Bücher deponiert hatte.
    Und sah sie. Dieselbe Kleine. Diesmal lief sie aus dem Zimmer. So nahe an ihr vorbei, daß sie das Kleid, das sie anhatte, sehen konnte. Den Pullover. Die gleichen Sachen, die sie getragen hatte, als sie in Salisbury aufgefunden wurde, und die jetzt in ihrer Wohnung in Washington in einem Kleiderschrank lagen.
    Sie ging rasch einen Schritt vorwärts, weil sie das Gesicht des Kindes sehen wollte, doch die Kleine mit dem goldblonden Lockenkopf verschwand.
    Judith wurde ohnmächtig.
    Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf dem Sofa in Dr. Patels Sprechzimmer. Rebecca Wadley hielt ihr ein Glasfläschchen unter die Nase. Der beißende Ammoniakgeruch ließ Judith zu-rückschrecken. Sie stieß die Flasche weg. »Mir geht’s gut«, er-klärte sie.
    »Erzählen Sie mir, was passiert ist«, verlangte Patel. »Was haben Sie gesehen?«
    Stockend schilderte Judith die Halluzination. »Werde ich langsam verrückt?« fragte sie. »Das bin einfach nicht ich. Kenneth hat immer gesagt, ich hätte mehr gesunden Menschenvers-tand als ganz Washington zusammengenommen. Was geschieht da?«
    »Das ist ein Indiz, daß Sie dem Durchbruch nahe sind, näher, als ich annahm. Meinen Sie, daß Sie sich stark genug fühlen, jetzt mit der Behandlung zu beginnen? Werden Sie die erforder-liche Einverständniserklärung unterschreiben?«
    »Ja. Ja.« Judith schloß die Augen, als Rebecca Wadley ihr er-läuterte, sie werde ihr jetzt die Bluse aufknöpfen, die Stiefel ausziehen und sie leicht zudecken. Aber dann unterschrieb sie mit ruhiger Hand die Formulare, die Rebecca Wadley ihr gab.
    »Gut, Miß Chase, der Doktor wird jetzt die Behandlung ein-leiten. Liegen Sie bequem?«
    »Ja.« Judith spürte, wie ihr Ärmel hochgerollt und eine Man-schette um den Arm gelegt wurde; darauf folgte der Einstich in die Hand.
    »Öffnen Sie die Augen, Judith. Sehen Sie mich an. Und dann fühlen Sie, wie Sie sich zu entspannen beginnen.«
    Stephen, dachte Judith, als sie in das verschwimmende Gesicht von Reza Patel starrte. Stephen…

    Der Zierspiegel hinter dem Sofa war in Wirklichkeit ein Spion, der es ermöglichte, die Hypnosesitzungen vom Labor aus zu beobachten und zu filmen, ohne den Patienten zu beunruhigen.
    Rebecca Wadley eilte ins Labor. Sie schaltete eine Videokamera ein, den Monitor, die Gegensprechanlage und die Apparate, die Judiths Puls und Blutdruck kontrollieren sollten. Sorgfältig beobachtete sie, wie sich der Herzschlag verlangsamte und der Blutdruck fiel, als Patels Bemühungen, Judith in Hypnose zu versetzen, Wirkung zu zeigen begannen.
    Judith fühlte, wie sie sich treiben ließ, wie sie reagierte auf Patels sanften Zuspruch, sie solle sich entspannen, in einen ruhigen Schlaf fallen. Nein, dachte sie. Nein. Sie begann, gegen die einlullende Schläfrigkeit anzukämpfen.
    »Keine Reaktion. Abwehr«, sagte Rebecca Wadley leise.
    Patel nickte und injizierte Judith eine kleine Dosis des Mittels in die Hand.
    Judith wollte den Wachzustand unbedingt erzwingen. Ihr Körper
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