Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Amulett der Macht

Titel: Das Amulett der Macht
Autoren: Mike Resnick
Vom Netzwerk:
Jahren 1863 und 1864 führte und so kam er auch zu seinem Spitznamen, – Chinese Gordon, der Engländer, der zehn chinesischen Generälen ebenbürtig war – so sagte man jedenfalls.«
    »Ich habe von ihm gelesen«, sagte Lara. »Er war einer der großen viktorianischen Helden. Von China schickte man ihn in den Sudan, wo er im Alleingang die Sklaverei beendete. Er war in England vermutlich beliebter als sonst jemand, mit Ausnahme von Königin Victoria selbst.«
    »Zumindest bei den Leuten, die ihn nicht persönlich kannten«, sagte Mason. »Er war starrköpfig, undiszipliniert, verweigerte ständig Befehle. Der einzige Grund, weshalb er nicht entlassen wurde, war, dass er spektakuläre Erfolge einfuhr, wann immer er seinen Vorgesetzten nicht gehorchte.« Er machte eine kurze Pause. »Man hat sogar einen Film über ihn gedreht. Riesenbudget. Natürlich besetzte man seine Rolle mit einem Amerikaner, Charlton Heston, aber was soll man von Hollywood anderes erwarten?«
    »Na gut, wir reden also von ein- und demselben General Gordon, dem, der beim Fall von Khartoum starb«, sagte Lara. »Das war 1885, vor weit über hundert Jahren also. Was hat das mit mir zu tun?«
    »Dazu komme ich noch«, sagte Mason. »Essen Sie Ihre Melone und gedulden Sie sich.«
    »Ich bin kein besserer Befehlsempfänger, als Gordon es war«, gab sie zurück. »Ich esse, wenn mir danach ist.«
    »Ich dachte, Sie seien am Verhungern.«
    »Sprechen Sie weiter.«
    Er zuckte die Achseln. »Wo war ich?«
    »Beim Fall von Khartoum.«
    »Nein«, korrigierte er sie. »Vorher. Da gab es einen sudanesischen Krieger, einen heiligen Mann namens Mahdi – den Erwarteten. Ich glaube, Sir Laurence Olivier spielte im Film seine Rolle. Typisch Hollywood, was? Wie auch immer, wir schickten eine Armee gegen ihn los, und er lotste sie immer tiefer in die Wüste hinein und besiegte sie schließlich bis auf den letzten Mann. Es war eine der schlimmsten Niederlagen in unserer Geschichte.«
    »Ich weiß. Das war der Moment, da die Regierung beschloss, Gordon zurück in den Sudan zu schicken.«
    »Nun, ja und nein. Wir schlugen gerade Aufstände in Südafrika und überall auf der Welt nieder, und die Regierung wollte nicht noch einen Krieg. Aber man konnte die Sache auch nicht auf sich beruhen lassen, nicht, nachdem eine ganze Armee in der Wüste gefallen war und die Öffentlichkeit nach Vergeltung schrie. Also verfielen sie darauf, ihren größten Helden – Gordon natürlich – in den Sudan zu entsenden. Weil sie aber keinen Krieg wollten, gab man ihm nur ein paar Offiziere mit und sonst nichts: keine Armee, kein Geld, keine Artillerie. Er sollte nur hingehen, ein bisschen Staub aufwirbeln und wieder nach Hause kommen, und dann konnte die Regierung das Volk beschwichtigen, indem sie sinngemäß sagte: Nun, wenn Gordon das Problem nicht lösen konnte, dann ist es offensichtlich unlösbar.«
    Lara nickte. »Aber es klappte nicht so, wie man es sich gedacht hatte.«
    Mason lächelte. »Gordon missachtete seine Befehle, wie immer. Obwohl der Mahdi eine Armee von über einer Million Männern befehligte, stellte Gordon ein Bataillon aus dahergelaufenen Wüstenkriegern zusammen, bezahlte sie aus eigener Tasche und bezwang den Mahdi schließlich bei Omdurman.«
    »Ich weiß vom Fall von Khartoum – wie jeder englische Schüler«, sagte Lara. »Aber von Omdurman habe ich nie etwas gehört.«
    »Das haben die wenigsten Menschen«, erwiderte Mason. »Omdurman liegt Khartoum gegenüber, auf der anderen Seite des Nils. Zahlenmäßig eins zu zwanzig unterlegen brachte Gordon es fertig, im Angesicht der beinahe sicheren Niederlage noch einen Sieg zu erringen. Militärexperten sehen darin einen der genialsten Züge in der Geschichte des Soldatentums.« Er schwieg einen Moment lang. »Die Wahrheit aber war viel seltsamer.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Der Mahdi war nicht der schlichte Analphabet, für den ihn die meisten halten. Er hinterließ viele Aufzeichnungen. Der Großteil ging verloren oder wurde vernichtet, aber ein paar Stücke existieren noch. Denen zufolge – und das hat er mit eigener Hand geschrieben – erhielt er seine charismatische Macht, seine Fähigkeit, riesige Mengen fanatischer Gefolgsleute für seine Zwecke zu gewinnen, und auch seine angebliche Unverwundbarkeit im Kampf von einem geheimnisvollen Talisman, den er um den Hals trug.«
    »Das Amulett von Mareish?«, fragte Lara.
    »Richtig«, sagte Mason. »Einst war er nur ein unbedeutender Bauer. Dann stolperte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher