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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael
Autoren: Garth Nix
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Abhorsen-Nachfolger bist, so bleibst du doch ein Prinz des Königreichs. Du kannst nicht einfach hier herumsitzen und Däumchen drehen.«
    »Ich habe Angst vor dem Tod.« Sam schluchzte und hielt die Handgelenke hoch, damit Lirael die Brandnarben sehen konnte, die sich bräunlich von der helleren Haut abhoben. »Ich habe Angst vor Hedge. Ich… ich kann mich ihm nicht wieder stellen.«
    »Auch ich habe Angst«, gestand Lirael leise. »Vor dem Tod, vor Hedge und vor tausend anderen Dingen. Aber ich habe lieber Angst und tue etwas, als nur herumzusitzen und darauf zu warten, dass etwas Schreckliches geschieht.«
    »Hört, hört«, sagte die Hündin und hob den Kopf. »Entschlossenes Handeln ist stets besser als Untätigkeit, Prinz. Außerdem riechst du nicht wie ein Feigling, also kannst du auch keiner sein.«
    »Das stimmt. Du hast dich bei Hochbrück nicht vor dem Armbrustschützen verkrochen«, fügte Lirael hinzu. »Auch nicht vor dem Klon, als er übers Wasser kam. Das war sehr mutig. Und gegen wen immer wir kämpfen müssen – es wird nicht so schlimm, wie du denkst.«
    »Sondern schlimmer«, warf Mogget vergnügt ein. Er schien Sams Demütigung zu genießen. »Aber
noch
schlimmer wäre, hier herumzusitzen, bis die Toten den Ratterlin verstopfen und Hedge über das trockene Flussbett stapft, um die Tür einzubrechen. Es ist wie ein Schachspiel auf Leben und Tod. Der Feind will uns glauben machen, dass die Südlinge die wichtigsten Figuren seines Spiels sind, aber das stimmt ganz sicher nicht! Er verfolgt irgendeine andere Strategie…«
    Sam starrte auf den Tisch. Sein Hunger war verflogen. Schließlich blickte er auf. »Lirael, hältst du mich für einen Feigling?«
    »Nein.«
    »Dann bin ich wohl auch keiner.« Sams Stimme war fester geworden. »Obwohl ich immer noch Angst habe.«
    »Du kommst also mit? Um Nicholas und Hedge zu suchen?«
    Sam nickte stumm, denn er traute seiner Stimme nicht.
    Es war still in der großen Halle, während alle darüber nachdachten, was die Zukunft bringen mochte. Alles hatte sich geändert – durch die Vorgeschichte, das Schicksal und die Wahrheit. Sam und Lirael waren nicht mehr die, die sie kurz zuvor noch gewesen waren. Und beide fragten sich nun verängstigt und verwirrt, was das alles bedeutete und wohin ihr neues Leben sie führte.
    Und wo und wie schnell dieses neue Leben enden mochte.

     
    EPILOG
     
    Lieber Sam,
    ich schreibe dir auf die hier bei uns übliche Weise, mit einem Federkiel auf dickem Papier, das die Tinte aufsaugt wie ein Schwamm. Mein Füller ist kaputt, und das Papier, das ich mitgenommen hatte, ist der Fäulnis zum Opfer gefallen –
irgendein Pilz, glaube ich.
    Das Alte Königreich hat offenbar etwas gegen ancelstierrische Erzeugnisse. Die hohe Luftfeuchtigkeit und das üppige Wachstum von Pilzen sind schlimmer als in den Tropen, was ich in diesen Breiten gar nicht erwartet hätte. Ich musste die meisten meiner beabsichtigten Experimente auf Grund fehlender Geräte und einiger beunruhigender experimenteller Fehler meinerseits aufgeben – Fehler, welche die Ergebnisse verfälschten. Wahrscheinlich liegt es an der Krankheit, unter der ich seit Überquerung der Mauer leide. Es ist eine Art Fieber, das mich sehr schwächt und hin und wieder zu Halluzinationen geführt hat. Hedge – der Mann, den ich in Bain als Führer in Dienst genommen habe – hat sich als große Hilfe erwiesen. Ihm habe ich zu verdanken, dass ich anhand der örtlichen Gerüchte
und des abergläubischen Gefasels der Leute hier die genaue Lage der Blitzfalle ermitteln konnte, deren Aushebung Hedge mit lobenswertem Eifer überwacht. Wir hatten anfangs ziemliche Schwierigkeiten, einheimische Arbeiter zu bekommen, bis Hedge auf die Idee kam, Männer aus einer Art Lazarett oder Leprakolonie anzuheuern. Diese Arbeiter sind sehr tüchtig, aber schrecklich verunstaltet und riechen grauenvoll. Vor allem tagsüber vermummen sie sich in zerlumpten Mänteln und Tüchern; des Nachts jedoch, wenn sie sich offenbar besser fühlen, nehmen sie es damit nicht so genau. Hedge nennt sie die »Kolonne der Nacht« – ein zutreffender Name, wie ich finde. Er hat mir versichert, dass diese Krankheit nicht sehr ansteckend ist, trotzdem vermeide ich jeden Körperkontakt. Es ist interessant, dass sie alle – genau wie die Südlinge – eine Vorliebe für blaue Hüte und Tücher haben. Die Blitzfalle ist so faszinierend, wie ich es erwartet habe. Nachdem wir sie entdeckt hatten, ließ ich sie nicht mehr aus
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