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Das alte Haus am Meer

Das alte Haus am Meer

Titel: Das alte Haus am Meer
Autoren: wentworth
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mit der Sonne im Rücken dagestanden, die Eibenhecke gerochen und die Stimmen sagen hören: »Für ihn kam der Unfall äußerst gelegen.«
    Sie zwang sich, an etwas anderes zu denken. Gestern um diese Zeit hatte sie sich gerade von Dale verabschiedet. Dann einkaufen und Lunch mit Hilda. Und am späten Nachmittag dann die heiße Zugfahrt nach Mountsford. Sie war so spät wie möglich gefahren. Sie hatte sogar eigentlich zu lange gewartet und musste sich in aller Eile ankleiden. Sie sah sich in dem silbernen Kleid mit dem Smaragd, der ihrer Mutter gehört hatte. Bei manchen hätte der grüne Stein auch die Augen grünlich schimmern lassen, aber ihre waren immer nur grau. Sie veränderten sich nicht. Auch in ihr selbst war etwas, das sich nie veränderte. Selbst wenn all das wahr war, konnte sie sich nicht ändern. Selbst wenn Dale ihr den Tod wünschte, konnte sie sich nicht ändern.
    Sie riss sich davon los. Das Dinner. Wunderbares Essen. Mr Crane erzählte schottische Geschichten so jämmerlich und lachte selbst so laut, dass es keine Rolle mehr spielte, ob die anderen mitlachten oder nicht. Eine Gesellschaft aus Leuten, die sie nicht kannte. Ein feister Mann, der mit ihr im Mondschein den Rosengarten betrachten wollte und nur »umso besser« erwiderte, als sie darauf hinwies, dass der Mond gar nicht schien. Bridge, ein höchst ermüdendes Bridgespiel. Und endlich zu Bett. Sie hatte von Dale geträumt, Dales Augen, die sie anlachten, Dale, der sie küsste … Sie durfte nicht daran denken.
    Aber so sehr sie sich auch bemühte, ihre Gedanken wanderten immer wieder zurück zu Dale.
Dieser wunderbare Morgen. Der Nebel kam vom Meer, löste sich auf, machte einem perfekten blassblauen Himmel Platz. Und die Sonne so heiß auf ihrem Rücken, als sie da im Schutz der Hecke stand.
Für Dale kam der Unfall äußerst gelegen …
Es hatte keinen Sinn. Es würde ihr nicht aus dem Kopf gehen.
In der gegenüberliegenden Ecke hatte Miss Silver ihr Strickzeug weggelegt und erneut Ethels Zeitschrift aufgeschlagen. Sie betrachtete dieselbe Seite, die bereits zuvor ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Die ganze Seite wurde von dem Foto einer jungen Frau in einem silbernen Kleid eingenommen. Die kursiv gedruckte Bildunterschrift lautete: »Die schöne Mrs Dale Jerningham in ihrem attraktivsten Kleid.« Um das Foto herum, in Zeilen von unterschiedlicher Länge, ein Brief, der mit »Mein Liebling« begann und mit »für immer dein« und einem großen Fragezeichen endete. Anonymität konnte bedeuten, dass man entweder zu bekannt oder gar nicht bekannt war. Sie hat gewisse Vorteile, und der Verfasser des Briefes nutzte dies voll und ganz. Dale Jerningham wurde zu Dale, sobald sein Nachname einmal erwähnt war. »Ein glücklicher Mann, nicht nur weil ihm Schloss Tanfield gehört, dessen Unterhalt ein Vermögen kostet, sondern weil er gleich zwei reiche Frauen geheiratet hat. Oh, natürlich nicht gleichzeitig, das wäre zu viel Glück selbst für den Glückspilz Dale. Und er war wirklich überraschend lange Witwer. Sein erster Coup war die Heirat mit der bedauernswerten Lydia Burrows, die vor zig Jahren beim Bergsteigen in der Schweiz ums Leben kam. Die derzeitige Mrs Dale hieß zuvor Lisle van Decken. Und hat sie auch alles, was man so braucht? Das kann man wohl sagen! Sie ist so hübsch wie auf dem Foto oder sogar noch hübscher. Vater Amerikaner und verstorben. Daher das Geld. Eine skandinavische Großmutter. Daher die platinblonden Haare, so blond und doch echt …«
Miss Silvers Lippen verzogen sich geringschätzig. Ordinär, wirklich geschmacklos. Wohin sollte das noch führen mit der Presse. Sie blickte zu Lisle hinüber und sah, dass diese zurückgelehnt dasaß. Sie hatte die Augen geschlossen, schlief aber nicht. Die Hand in ihrem Schoß war zur Faust geballt, die Knöchel kalkweiß. Nein, sie schlief nicht, hatte sich nur mit ihrer Verzweiflung abgekapselt.
Als der Zug kurz darauf langsamer wurde, öffneten sich die Augen und begegneten Miss Silvers Blick. Eine ganze Weile, dann schlossen sich die Augen wieder.
Miss Silver knipste ihre Tasche auf und holte eine elegante Visitenkarte heraus:
    MISS MAUD SILVER 15 Montague Mansions West Leaham Street S.W. Privatdetektivin
    Entschlossen ließ sie ihre Tasche wieder zuschnappen, als der Zug langsam in den düsteren Bahnhof einfuhr, der gleichzeitig Endstation war. Ein Schaffner riss die Tür auf. Die Frau mit den drei lebhaften Kindern sammelte ihre Brut und stieg aus. Die schlanke Gestalt
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