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Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne
Autoren: Michael Marrak
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setzte sie sich zögernd neben den riesigen schwarzen Schatten auf den Steinsockel. »Das ist eine lange Geschichte …«
    »Die Nacht ist jung«, ermutigte sie Jadamon. »Und ich habe Zeit, Mira. Mehr Zeit, als du dir vielleicht vorstellen kannst.«

 
     
     

     
     
    Alles, was ihr Menschen heute liebt und bewundert,
    vermag sich morgen schon aufzulösen
    in einem sanften Hauch kosmischer Glut.
     
    Helios, Sohn des Hyperion

 
1  Beute
     
     
    Die Echse saß auf dem Scheitel der Düne.
    Ihr Kopf zuckte auf und ab, als würde sie einer in der Ferne sitzenden Artgenossin zunicken. Dabei hob sie mal das rechte Hinterbein und das linke Vorderbein, dann wieder das rechte Vorderbein und das linke Hinterbein, um die Gliedmaßen nicht zu lange dem heißen Wüstensand auszusetzen. Sie verhielt sich beinahe wie eine richtige Echse, und Mira kam es so vor, als würden die Tiere Tag für Tag etwas dazulernen und ihre Fluchtinstinkte schärfen. Während der vergangenen Stunde, in der sie die Dornschwanzagame verfolgt hatte, hatte sie oft gezweifelt, ob sie diesmal nicht auf einer falschen Fährte war. Doch jetzt, als die Echse auf der höchsten Stelle der Düne saß und ihre Blicke über die Wüste gleiten ließ, waren Miras Bedenken wie ausgelöscht. In ihren Augen glühte das Feuer einer Jägerin.
    Die Agame drehte ihren Kopf ruckartig, Millimeter für Millimeter. Jedes Mal, wenn sie innehielt, leuchteten ihre kleinen Augen in der Abenddämmerung für einen Sekundenbruchteil auf wie die Blitzlichter einer Kamera. Als das Tier seinen Kopf abwandte, sprang Mira blitzschnell aus ihrer Deckung, spannte die Schleuder und jagte das Geschoss mit vernichtender Präzision ins Ziel.
    Der pflaumengroße Stein traf die Echse mit voller Wucht, ehe diese Anstalten machen konnte zu flüchten. Von dem Stein mitgerissen, verschwand das Tier als zappelndes Etwas hinter der Düne. In der Befürchtung, ihre Beute zu verlieren, rannte Mira, so schnell es der nachgiebige Sand erlaubte, zu der Stelle, an der die Echse gesessen hatte. Der Hang auf der anderen Seite der Düne lag im Schatten der untergehenden Sonne, doch Miras Augen durchdrangen das Dunkel mühelos. Auf halber Höhe der Düne nahm sie eine Bewegung wahr und rutschte flink darauf zu. Bevor die Agame es schaffte, sich im lockeren Sand zu vergraben, hatte Mira sie gepackt und hielt den sich windenden Körper fest umschlossen. Dann kletterte sie auf den Dünenkamm zurück und betrachtete ihre Beute im Sonnenlicht.
    Die Echse bewegte sich träge, wobei sie ständig dieselben Bewegungen wiederholte. Es war ein fließendes Vor- und Zurücksetzen der Beine, fast so, als würde sie weiterhin über den Boden laufen, während ihre Augen unaufhörlich aufleuchteten und wieder erloschen. Ihr Leib und der dicke, mit Stachelschuppen besetzte Schwanz leuchteten in grellem Gelb, um möglichst viel Sonnenlicht zu reflektieren, wogegen der Kopf und die Beine der Agame pechschwarz gefärbt waren. Während Mira das Reptil begutachtete, zuckte dessen Kopf plötzlich herum und starrte sie an, wobei das Blitzen in seinen Pupillen für Sekunden intensiver wurde.
    Erschrocken ließ Mira die Echse fallen und sprang einen Schritt zurück. Aus einem Reflex heraus fischte sie einen weiteren Stein aus ihrer Manteltasche, legte ihn in die Schleuder, zielte auf den Kopf des Reptils und schoss. Der Kiesel stampfte den Vorderkörper der Echse mit einem dumpfen Schlag in den Sand. Nur ihr Hinterleib – zwei zuckende Beine und der lange dünne Schwanz – ragten noch hervor. Schließlich erlahmten die Bewegungen und die Echse rührte sich nicht mehr.
    Mira wartete gespannt. Dann ließ sie sich auf die Knie nieder und kroch zögernd zu dem kopfüber im Boden steckenden Reptil. Erst als sie überzeugt war, dass es sich nicht mehr rühren würde, zog sie es am Schwanz aus dem Sand, um es zu begutachten.
    Der Kopf der Echse war beschädigt und wirkte unnatürlich platt. Zudem war sie an einer Seite fast komplett aufgerissen. Das rechte Vorderbein stand in verdrehtem Winkel ab, das Maul war halb geöffnet und das rechte Auge aufgeplatzt. Allerdings trat kein Blut aus den Wunden. Durch den Riss schimmerte Metall unter der Reptilienhaut hervor. Haarfeine, bunte Kabel durchzogen den gesamten Echsenleib, liefen am Halsansatz zusammen und mündeten im Schädel. Aus dem zerstörten Auge rieselten Glassplitter, und das klaffende Loch im Kopf der Agame ermöglichte einen Blick auf eine Vorrichtung, die der Blende einer
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