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Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne
Autoren: Michael Marrak
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Sodra-Fangzangen aus dem Sand ragen, war es meistens schon zu spät.
    Wind kam auf und brachte die Hänge der Dünen zum Fließen. In einer Sandlawine glitt Mira einen steilen Leehang hinab in den Schatten einer tiefen Senke, dann den nächsten Hang wieder hinauf. Sie schwitzte, obwohl es bereits sehr kühl geworden war. Endlich, hinter dem Grat der letzten gewaltigen Sandwoge, sah sie das Dorf.
    Minutenlang blieb Mira auf dem Dünenkamm sitzen. Mehr als zweihundert Meter unter ihr lag eine Ebene, die sich bis zum Horizont erstreckte. Sie war bedeckt von Sand und Geröll, ohne eine natürliche Erhebung. Das Dorf glich von hier oben einem riesigen Häuserrad. Seine Speichen wurden von acht schnurgeraden Straßen gebildet, die von den mit Akazien, Dattelpalmen und Tamarisken bewachsenen Randbezirken der Siedlung zum Dorfplatz im Zentrum führten. Überragt wurden die Häuser lediglich von dem gedrungenen Turm des Bethauses und den zwölf über das Dorfareal verteilten Flutlichtmasten.
    Jenseits der Siedlung erstreckten sich Plantagen mit geometrisch angelegten Feldern, die riesige grüne Kreise bildeten. Dort bauten die Dorfbewohner Getreide und Luzerne für das Vieh an. Das nötige Wasser wurde von Motorpumpen aus tiefen Brunnen heraufbefördert und in kilometerlange Sprinkleranlagen geleitet. Inmitten der Plantagen erhob sich eine gewaltige Ruine, die aussah wie eine zerborstene Steinkuppel. Mira erinnerte sich an eine Zeit, als die Kuppel noch intakt und das Gebäude Teil der Plantagen gewesen war. Der Anblick der Ruine weckte bei ihr jedes Mal böse Erinnerungen, die sie oft bis tief in die Nacht hinein verfolgten.
    Zwischen den Plantagen und dem Dorf erhob sich ein vierzig Meter hoher Sendemast, über den die Siedler mit dem Carinea-Institut oder den Oasen von Akrere oder Quaram in Verbindung standen.
    In unmittelbarer Nähe des Dorfes lag ein fast quadratisch angelegtes Areal. Es war wesentlich kleiner als die Getreidefelder, und vom Kamm der Düne aus betrachtet wirkte es im Licht der Abendsonne wie ein bizarrer Kakteenwald. Doch wenn man genau hinsah, erkannte man, dass es Steinplatten und Holzkreuze waren. Das Feld jenseits der Siedlung war der Friedhof. Es gab dort fast mehr Gräber, als Menschen im Dorf lebten …
    Mira fröstelte. Die ersten Hausfenster waren bereits erhellt und entlang der Straßen brannten Laternen. Der Wind war heftiger geworden, blies aus dem Sand unter Mira eine Mulde aus und ließ ihren Körper langsam tiefer sinken. Würde sie hier oben sitzen bleiben, hätte die Düne sie bis Sonnenaufgang verschluckt, wie alles, was sich nicht mehr bewegen kann. Wer in der Wüste weiterkommen will, muss ständig auf der Flucht sein, um nicht eines Tages lebendig begraben zu werden.
     
    Einhundert Meter vor dem Dorf wurde Mira von schallendem Hundegebell empfangen. Aus dem Schatten der Akazien, die den Rand der Siedlung vor dem ärgsten Wind schützten, schnellten zwei braunschwarze Körper hervor. Die Hunde rannten auf das Mädchen zu und umkreisten es lärmend, während ihre Schwänze wild in der Luft peitschten.
    »Mekaj! Tessa!« Mira ging in die Knie und umarmte beide Hunde gleichzeitig mit einem freudigen Lächeln. »Hört auf!«, rief sie, als die Tiere übermütig an ihr emporsprangen, und wehrte die feuchten Hundezungen ab.
    Zu dritt erreichten sie die ersten Häuser. Eine Gruppe von Männern spielte im Licht von Öllampen Toope. Als Figuren dienten ihnen flache, weiße Steine und dunkle Schiddlegg-Hörner. Ihr fünfeckiges Spielbrett war der mit kleinen Aushöhlungen versehene Wüstenboden. Ganz am Rand der Versammlung lag bäuchlings einer der Dorfmechaniker und versuchte, die Einzelteile eines Sandschlittenmotors wieder zu einem funktionierenden Ganzen zusammenzufügen. Als Mira über die Ringstraße, die das gesamte Dorf umgab, auf eine der Speichenstraßen gelangte, die ins Zentrum führte, fiel ihr auf, dass irgendetwas anders war als sonst. Das Mädchen hielt inne, woraufhin sofort auch die Hunde abwartend stehen blieben.
    Ringsum herrschte reges Treiben. Die sonst so geruhsamen Dorfbewohner huschten aufgeregt zwischen den Häusern umher. Stimmengewirr erklang allerorten, doch niemand beachtete den anderen, geschweige denn Mira und die Hunde. Alles strebte Richtung Dorfplatz.
    Feierte man etwa ein Fest?
    Nein, davon hätte Mira etwas gewusst. Neugierig stellte sie sich auf die Zehenspitzen, konnte aber trotzdem nichts erkennen. Die beiden Hunde hoben plötzlich ihre Köpfe, als
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