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Das 2. Gesicht

Das 2. Gesicht

Titel: Das 2. Gesicht
Autoren: Nika Lubitsch
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war noch eineinhalb Jahre gültig.

Las Vegas
    Die Fontänen schossen fast bis direkt unter unser Fenster. Das Wasser tanzte zu „Hey, Big Spender“ und wir genossen unsere Eggs Benedict zum Frühstück direkt hinter den riesigen Fenstern unserer Suite ganz oben im Hotel Bellagio.
    Wir hatten am Vortag unsere Heiratslizenz beantragt, was in etwa so spannend war, als ob man sich eine Monatskarte für die örtlichen Verkehrsbetriebe kauft. Eine halbe Stunde hatten wir in der Schlange gewartet, bis wir dran waren, dann hatte George ein paar Scheine hingelegt und zack hatten wir unseren Stempel.
    „Next!“
    Danach haben wir Wedding Chapels angeguckt, ich wollte jede einzelne von innen sehen. George war mit viel Geduld dabei, auch wenn es ihm eher egal schien, wo er mir das Ja-Wort geben würde. Wir haben ganz am Ende des Strips, gegenüber vom Hotel Mandalay Bay, also direkt vor dem Flughafen „unsere“ Kirche gefunden. „The Little Church of the West“. Na bitte, das Ding sah aus, als hätte man es in Kitzbühl ausgeliehen.
    „Die Kirche ist einer typischen Holzkirche im Wilden Westen nachempfunden“, erklärte uns die Pfarrerin. Auch gut, hier hatten schon Judy Garland, Telly Savalas, Richard Gere und Cindy Crawford geheiratet. Und jetzt wir. Ich war total aufgeregt. Am liebsten hätte ich mir ein neues Kleid gekauft, aber dazu blieb keine Zeit mehr.
    „Du siehst toll aus in diesem karamellfarbenen Hosenanzug, ich liebe dich darin, der erinnert mich an Weimar. Das bist du“, sagte George. Ich hatte noch nie einen Mann kennengelernt, der auf die Idee gekommen wäre, einen mittelbraunen Hosenanzug karamellfarben zu nennen. Mein Held war eben ein Poet.
    Sollte ich ihm etwa darauf sagen, dass es der Traum einer jeden Frau ist, in einem Business-Hosenanzug vor den Traualtar zu treten? Ich hatte mir vorgenommen, mir den schönsten Tag meines Lebens nicht mit so blöden Gedanken zu verderben. Um zwanzig vor fünf war es endlich soweit. George Osterman und ich traten vor den Traualtar. Ein farbiger Organist intonierte „Treulich geführt“, die Kapelle war mit Unmengen von Kerzen und künstlichen Blumen geschmückt und mit dem synthetischen Duft von weißen Lilien geschwängert, die farblich mit dem Hosenanzug der Pfarrerin harmonierten.
    „Yes, I do“, hauchte ich, während mir die Tränen runterliefen. Ja, ich würde ihn lieben und ehren, in guten wie in schlechten Tagen, bis dass der Tod uns scheidet. Ich nehme mal an, dass ich so was Ähnliches der Pfarrerin nachgesprochen habe. Meine Gedanken waren bei meinen Eltern, ich glaubte, ihren Blick in meinem Rücken zu spüren. Ich schwöre, sie waren dabei, als ich George Osterman heiratete, sie saßen direkt hinter uns in der ersten Reihe auf dieser hölzernen Kirchenbank. Und ich dachte an Sandra, meine beste Freundin, von der ich mich nicht mal richtig verabschiedet hatte. Wie oft hatten wir uns schon als junge Mädels ausgemalt, wie wir heiraten wollten, wen wir heiraten wollten und wie viele Kinder wir haben wollten. In den letzten Jahren war all das kein Thema mehr gewesen. Wir waren mit Studium und Berufseinstieg beschäftigt und unsere Träume waren eher die von Karriere und einem netten Lover gewesen als die von einer Hochzeit ganz in Weiß.
    Die Pfarrerin erlaubte dem Bräutigam, die Braut zu küssen. Er tat es und setzte damit meinen Gedanken an alle meine Lieben ein Ende. Ich war im Hier und Jetzt angekommen und mein Hier und Jetzt hieß George Osterman. Ich würde seinen Namen annehmen und ich würde meine neue Unterschrift üben müssen. Julia Osterman, hörte sich doch toll an. Gab es da nicht einmal einen Film, „Das Osterman Weekend“, hatte ich George gefragt.
    „Ja, ein Roman vom Kollegen Robert Ludlum. Sam Peckinpah hat das verfilmt“, antwortete er.
    „Du kennst Ludlum?“, fragte ich erstaunt.
    „Ja, er ist leider verstorben, schon vor langer Zeit, er war einer von den ganz Großen. Er hat übrigens ganz in der Nähe von uns in Florida gelebt.“
    Ich hatte nie etwas von Robert Ludlum gelesen, nahm mir aber vor, das nachzuholen.

Fort Myers, Florida
    Erstaunlicherweise hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht, wie George lebte. Irgendwie, irgendwo in Florida. Nach unserer wunderbaren Hochzeitsreise quer durch die Vereinigten Staaten war ich gespannt auf Fort Myers.
    Irgendwann während unserer Lesereise durch Deutschland hatten wir über John Steinbecks „Die Reise mit Charley – Auf der Suche nach Amerika“ gesprochen.
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