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Darwinia

Darwinia

Titel: Darwinia
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Archivs kommunizierte und aus der zu gegebener Zeit – schon bald – die Psionen wieder auftauchen würden, um die Erde zu bevölkern… nur um sie zu vertilgen.
    Diesen Planeten und Millionen anderer archivierter Planeten.
    Jetzt und in der Vergangenheit und in der Zukunft.
    In gewisser Hinsicht waren es Guilfords Erinnerungen, sie waren allerdings vage, flüchtig und unvollständig. Er war sich seiner Grenzen bewusst. Er war ein zerbrechliches Gefäß. Er fragte sich, ob er überhaupt fassen konnte, was der göttliche Guilford ihm einschenken würde.
    Er lag bäuchlings über dem Tal und sah die Stadt durch einen Schirm aus Nesselgras. Er hörte den Wind durch die Halme fahren, spürte Billyfliegen zwischen den Armhaaren. Er lauschte seinem Atem.
    Die Dämonenstadt erwachte zu neuem Leben.
    Die Psionen waren noch nicht aus dem Brunnen gestiegen, doch die Straßen waren wieder bevölkert, diesmal von Männern, die von Dämonen besessen waren. Noch mehr Kriegskameraden, dachte Guilford. Wie die Alten Männer, die sich in den Wäldern sammelten, waren auch sie bei Ypres oder an der Marne oder auf See ums Leben gekommen – gestorben in der einen, lebendig in einer anderen Welt. Sie waren Transportkanäle zwischen dem Archiv und seiner Ontosphäre. Da es ihnen an Bewusstsein fehlte, waren sie perfekte Vehikel für die Psionen. Sie waren die Verteidiger der Dämonenstadt und verfügten über eigene Waffen. Seit Monaten trafen sie einzeln oder zu zweit hier ein.
    Guilford zählte die Zelte und versuchte Schützengräben und Artilleriestellungen auszumachen. Klarer, zarter Sonnenschein warf Wolkenschatten über die Stadt. Die zentrale Kuppel, in welcher sich der Brunnenschacht befand, war freigelegt worden. Er war jetzt deutlich zu sehen, aus der teilweise eingestürzten Kuppel stieg eine Dunstfahne in den herbstlichen Nachmittag.
    Guilford nahm sein Notizbuch und machte sich Skizzen: die Lage der Schützengräben, Schwachstellen, mögliche Einfallstraßen an den bewaldeten Talhängen. Denen läuft die Zeit davon, überlegte er. Die Turingmaschinen hatten gute Arbeit geleistet. Die waren im Rückstand.
    Aber die Verteidiger hatten sich gut verschanzt, in konzentrischen Ringen aus Gräben und Stacheldraht rings um die Zentralkuppel bis an den zerfallenen Rand der Stadt.
    Es würde kein Spaziergang werden.
    Den ganzen Nachmittag über beobachtete er die Stadt, aber mehr gab es nicht zu sehen… nur diese Straßen, die wie Sonnenuhren die Stunden der Erde zählten.
     

     
    Er kehrte so umsichtig zurück, wie er hergekommen war. Die Schatten zwischen den Bäumen sammelten sich zu Tümpeln. Er ertappte sich dabei, wie er an Karen dachte, das Barmädchen im Schaffhausen Grill in Randall. Was fand sie an ihm? Ich bin alt wie Leder, dachte Guilford. Lieber Gott, ich bin ja kaum mehr ein Mensch.
    Trotzdem, es war verlockend, an menschliche Wärme zu denken… es war verlockend; auch wenn das alles nach Sentimentalität und Schmerz roch.
    Als er das Camp erreichte, war es schon dämmrig. Die Mahlzeit bestand aus einer Dosenration, die wahrscheinlich aus einer Fracht abgezweigt war, deren Bestimmungshafen im Chinesischen Meer lag. Der Wald wimmelte von uralten Männern: Geistersoldaten, wie manche sich nannten. Das hier war eine Infanterieeinheit und Tom Compton war ihr Kommandeur. Tom saß am Ufer eines steinigen Baches, schmauchte seine Pfeife und starrte sinnend in das scheidende Blau des Abends.
    Immer wenn Guilford den Grenzer zu Gesicht bekam, erlebte sein geistiges Auge eine Art Doppelbelichtung: Tom war mit ihm am Bois Belleau gewesen, ihr Bataillon war im langsamen Gleichschritt ins feindliche Feuer marschiert, zwei blutjunge Amerikaner, fest entschlossen, die Boches genauso in die Flucht zu schlagen, wie ihre Großväter es mit den Truppen von Jeff Davis [47] getan hatten; sie konnten nicht recht an die Kugeln glauben, die ihre Linien wie mit einer unsichtbaren Sense dezimierten…
    Andere Erinnerungen, andere Feinde: Tom und Lily und Abby und Nick…
    Wir haben unsere Unschuld verloren, dachte Guilford. Wir riechen nach Blut.
    Er berichtete, was er gesehen hatte.
    »Das Wetter scheint mitzuspielen«, sagte der Grenzer. »Morgen zumindest. Viel helfen wird uns das nicht.«
    »Wir rücken aus? Diese Nacht?«
    »Die Munitionswagen rollen schon. Viel Schlaf ist nicht mehr drin.«

 
Kapitel Sechsunddreißig
     
     
     
    Nach nunmehr fünfzehn Jahren, die sie im Verteidigungsministerium arbeitete, ging Lily davon aus,
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