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Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Titel: Darwin und die Götter der Scheibenwelt
Autoren: Terry Pratchett , Ian Stewart , Jack Cohen , Erik Simon
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zur heutigen weltlichen Gesellschaft des Westens führten. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sogar in den USA eine verfassungsmäßige Trennung von Staat und Kirche gibt. (Sonderbarerweise hat das Vereinigte Königreich, praktisch eines der weltlichsten Länder auf der Welt – kaum jemand geht zur Kirche, außer zu Kindtaufen, Hochzeiten und Begräbnissen –, eine eigene Staatsreligion und eine Monarchin, die behauptet, von Gottes Gnaden zu sein. Anders als die Scheibenwelt braucht die Rundwelt keinen Sinn zu haben.) Jedenfalls waren die echten Viktorianer ein gottesfürchtiges Volk, doch ihre Gesellschaft ermutigte Einzelgänger wie Darwin, abseits der üblichen Gleise zu denken, was weit reichende Folgen haben sollte.
    Eine Kette von Uhren zieht sich durch die ganze metaphorische Landschaft der Wissenschaft. Newtons Bild vom Sonnensystem, das nach exakten mathematischen ›Gesetzen‹ abläuft, wird oft als ›Uhrwerk-Universum‹ bezeichnet. Das Bild ist nicht schlecht, und das Orrery* [* So genannt nach einem Grafen Orrery. Die im Deutschen üblicheren Begriffe ›Astrolabium‹ und ›Armillarsphäre‹ sind nicht ganz dasselbe – sie bilden ebenfalls Planetenbewegungen mechanisch nach, aber nicht als anschauliche Modelle, sondern zu Zwecken der Messung bzw. Berechnung. – Anm. d. Übers. ] – ein Modell des Sonnensystems, dessen Zahnräder winzige Planeten umlaufen lassen – sieht ziemlich wie ein Uhrwerk aus. Uhren gehörten zu den kompliziertesten Maschinen des 17. und 18. Jahrhunderts, und sie waren wahrscheinlich die verlässlichsten. Selbst heute sagen wir, dass etwas ›wie ein Uhrwerk‹ funktioniert, und haben das noch nicht durch ›atomare Exaktheit‹ ergänzt.
    Bis zum viktorianischen Zeitalter war die Taschenuhr zum Inbegriff eines verlässlichen Geräts geworden. Darwins Ideen sind eng mit einer Taschenuhr verknüpft, die wiederum sinnreiche mechanische Perfektion verkörperte. Die fragliche Uhr wurde von dem Geistlichen William Paley eingeführt, der drei Jahre vor Darwins Geburt starb. Sie figuriert im ersten Absatz von Paleys großem Werk Natürliche Theologie , erstmals 1802 erschienen.* [* Es ist alt genug, um das lange s zu verwenden, wie wir es auf der Scheibenwelt mitunter auch als f parodiert haben. Wir haben der Ver uchung widertanden, außer in dieer Fußnote.] Am besten bekommt man ein Gefühl für seine Gedankengänge, wenn man seine eigenen Worte verwendet:
    Angenommen, beim Wandern über die Heide stieße ich mit dem Fuß an einen Stein und würde gefragt, wie der Stein dorthin gekommen sei; so könnte ich vielleicht antworten, dass er meines Wissens schon immer dort gelegen habe; vielleicht wäre es nicht einmal besonders leicht zu zeigen, wie absurd diese Antwort ist. Aber angenommen, stattdessen hätte ich eine Uhr auf dem Boden gefunden und es würde die Frage gestellt, wie die Uhr an diesen Ort geraten ist, so würde mir schwerlich die Antwort einfallen, die ich zuvor gegeben hatte, dass nämlich meines Wissens die Uhr schon immer dort gewesen sei. Warum aber sollte diese Antwort für die Uhr nicht ebenso gut wie für den Stein taugen? Warum ist sie im zweiten Fall nicht zulässig wie im ersten? Aus diesem Grunde und keinem anderen, nämlich, dass wir, wenn wir die Uhr näher betrachten, feststellen (anders als bei dem Stein), dass ihre verschiedenen Teile zu einem Zweck geformt und zusammengesetzt sind, d. h. dass sie so geformt und abgestimmt sind, um Bewegung hervorzubringen, und dass jene Bewegung so reguliert ist, dass sie die Stunde des Tages anzeigt; dass, wenn die verschiedenen Teile anders geformt wären, als sie sind, eine andere Größe hätten oder auf irgendeine andere Weise oder in anderer Reihenfolge angeordnet wären, als sie es sind, entweder überhaupt keine Bewegung in der Maschine ausgeführt werden könnte oder aber keine, die dem Zweck entspräche, dem sie jetzt dient.
    Paley behandelt dann weiter die Bauteile einer Uhr und kommt so zum Kern seines Arguments:
    Nachdem wir diesen Mechanismus beobachtet haben, so wäre, glauben wir, die Schlussfolgerung unausweichlich: dass die Uhr von jemandem gemacht worden sein muss, dass es irgendwann und irgendwo einen Feinmechaniker (oder mehrere) gegeben haben muss, der die Uhr zu dem Zweck geformt hat, dem wir sie tatsächlich entsprechen sehen, der ihre Konstruktion ersonnen und ihre Verwendung geplant hat.
    Darauf folgt eine lange Reihe von nummerierten Absätzen, wo Paley sein Argument im Einzelnen
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