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Darkover 03 - Herrin der Falken

Titel: Darkover 03 - Herrin der Falken
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Tochter nicht. Bis zu dem endgültigen Bruch hatte nicht einmal Ruyven, sechs Fuß groß und beinahe ein Mann, es gewagt, sich ihm offen zu widersetzen. Romilly, Darren, Mallina – alle gehorchten sie ihm aufs Wort und riskierten kaum einmal einen trotzigen Blick. Nur der jüngste, der verwöhnte kleine Rael, versuchte sich manchmal den Befehlen seines Vaters mit Schmeicheln und Schelmerei zu entziehen.
    Nebenan, hinter den Glastüren, die ihre Zimmer trennten, schlief Mallina bereits fest, das blaßrote Haar und das Spitzennachthemd hell vor dem Kissen. Lady Calinda war längst zu Bett gegangen, und die alte Gwennis döste in einem Sessel neben der schlafenden Mallina. Obwohl Romilly sich nicht freute, daß ihre Schwester krank war, freute sie sich doch darüber, daß die alte Kinderfrau mit Mallina zu tun hatte. Wenn sie Romilly in diesem Aufzug gesehen hätte – schuldbewußt betrachtete Romilly ihre schmutzigen, schweißgetränkten Sachen – hätte es Vorhaltungen und Ärger gegeben. Sie war erschöpft und dachte sehnsüchtig an saubere Kleider, ein Bad ihr eigenes weiches Bett. Sie hatte gewiß alles getan, was sie konnte, um den Falken zu retten. Vielleicht sollte sie aufgeben. Es war ja möglich, daß er vom Block kröpfte. Und wenn er das einmal getan hatte, würde er zwar nicht sterben, aber niemals mehr zahm genug werden, um Atzung von Hand oder Handschuh des Falkners zu nehmen. Dann mußte er freigelassen werden. Na gut. Und wenn er in seinem erschöpften und verängstigten Zustand nicht vom Block kröpfte und starb… nun, auch früher waren schon Falken auf Falkenhof gestorben.
    Aber niemals einer, mit dem ich so tief in Rapport gestanden habe…
    Als stände sie immer noch müde und angespannt im Falkenhaus, spürte sie von neuem, wie sich die Raserei aufbaute… auch wenn er sicher an den Block gebunden war, konnte sich der Falke beim wilden Schlagen die Flügel brechen… um nie mehr zu fliegen, um stumpfsinnig und gebrochen auf einer Stange zu sitzen oder zu sterben… wie ich im Haus, in Frauenkleidern bei einer blöden Stickerei…
    Und da wurde ihr klar, daß sie es nicht zulassen konnte. Ihr Vater, schoß es ihr durch den Kopf, würde sehr böse sein. Diesmal bekam sie vielleicht sogar die Schläge, die er ihr für den nächsten Ungehorsam angedroht hatte. Bisher hatte er noch nie Hand an sie gelegt. Ihre Erzieherin hatte sie ein-oder zweimal verhauen, als sie noch sehr klein gewesen war. Doch meistens war sie mit Zimmerarrest, mit Reitverbot, mit harten Worten oder dem Verzicht auf ein versprochenes Vergnügen bestraft worden.
    Diesmal wird er mich sicher schlagen, dachte sie, und die Ungerechtigkeit schüttelte sie. Ich werde Schläge bekommen, weil ich mich nicht darin finde, das arme Ding verhungern oder sich zu Tode toben zu lassen..,
    Nun, dann werde ich eben Schläge bekommen. Daran ist noch nie jemand gestorben, glaube ich. Romilly war bereits fest entschlossen, sich ihrem Vater zu widersetzen. Der Gedanke an seinen Zorn schreckte sie noch mehr als der an Schläge. Aber sie würde nie mehr ein gutes Gewissen haben, wenn sie jetzt ruhig in ihrem Zimmer blieb und den Falken sterben ließ. Sie hätte bei Sonnenaufgang beiden die Freiheit geben sollen, wie Davin es befohlen hatte. Vielleicht verdiente sie Schläge für diesen Ungehorsam. Doch jetzt, wo sie einmal angefangen hatte, wäre es grausam, aufzuhören. Sie wenigstens, dachte Romilly, konnte verstehen, warum sie geschlagen wurde. Der Falke verstand die Gründe für die lange Qual bis zu seinem Tod nicht. Ihr Vater selbst hatte ihr immer gesagt, ein guter Ausbilder begänne nichts mit Falke, Hund oder Pferd, das er nicht beenden könne. Es sei ungerecht gegen eine stumme Kreatur, die nichts von Gründen wisse.
    Wenn, so hatte er ihr einmal auseinandergesetzt, du einem menschlichen Wesen aus irgendeinem Grund, der dir stichhaltig erscheint, die Treue brichst, kannst du es ihm hinterher wenigstens erklären. Aber wenn du einer stummen Kreatur die Treue brichst, hast du sie auf unverzeihliche Weise verletzt,
    weil du es ihr niemals begreiflich machen kannst. Nie in ihrem Leben hatte Romilly ihren Vater von Treue und Glauben in Zusammenhang mit einer Religion sprechen hören, nie hatte er – außer in einem Fluch – einen Gott genannt. Doch bei diesen Worten hatte sie einen Blick in die Tiefe seines Glaubens und sein Inneres getan. Sie war ihm ungehorsam, ja. Doch in einem tieferen Sinn tat sie, was er sie als recht gelehrt hatte.
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