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Dark Room

Dark Room

Titel: Dark Room
Autoren: Sophie Andresky
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eine Hure, die andere war bloß eine schwachsinnige, lachende Hülle. Dieses Mädchen hier« – sie streichelte Fiona mit ihrer eiskalten Hand über den Unterarm –, »dieses Mädchen war meine Belohnung dafür, dass ich Alicia all die Jahre versorgt und behütet habe.«
    Fiona stand wie erstarrt da, aber sie fühlte Gemmas Bewegung kommen, sie spürte, wie Gemma ihre Hüfte losließ, ausholte und Lorina so hart ins Gesicht schlug, dass sie glaubte, die Kieferknochen knirschen zu hören.
    »Alicia ist ein richtiger Mensch!«, rief sie, und ihre Stimme überschlug sich dabei. »Du hast sie nie umsorgt. Du bist es gar nicht wert, so eine Tochter zu haben.«
    Lorina lächelte wie jemand, der noch ein Geheimnis auf Lager hat. »Die eine Tochter ist eine leere Hülle«, sagte sie sanft, »aber die andere ist mir dafür umso ähnlicher.«
    Gemma zuckte zurück, als wäre sie jetzt geschlagen worden.
    Lorina betrachtete sie, offensichtlich amüsiert. »Du verurteilst mich? Ausgerechnet du? Eine Hure? Du glaubst, du bist ein guter Mensch? Wieso bist du denn jetzt hier? Die eigene Mutter umbringen, machen gute Menschen so was?«
    Sie bettete ihren Kopf bequemer und zeigte mit ihrer runzligen Fingerspitze auf Gemma: »Du bist genau wie ich. Das liegt uns in den Genen. Wir sind Wölfe, mein Liebes, keine Schafe.«
    Püppi trat zwischen die Frauen und verfolgte jede von Gemmas Bewegungen. Aber die schlug nicht noch einmal zu. Sie erhob sich und schritt zum Fenster und zurück zum Bett. Wieder zum Fenster. Wieder zum Bett. Immer, wenn sie an der gefesselten Krankenschwester vorbeikam, die erstickte Laute von sich gab, mit den Augen rollte und auf dem Stuhl herumruckelte, stieg sie über deren steifes Bein und beachtete sie sonst nicht weiter. Ihr Gesicht war konzentriert.
    Fiona hörte sich erleichtert seufzen. Gemma sah endlich wieder aus wie die Grinsekatze, die sie kannte. Die Frau, die alle Fäden in der Hand hielt, die immer einen Weg fand, deren Job es war, Türen, Wege und Räume zu erschaffen, wo es vorher keine gegeben hatte. Ihr würde etwas einfallen. Auch Püppi wartete einfach ab und beobachtete abwechselnd Lorina, Fiona und Gemma. Schließlich blieb die Grinsekatze in der Mitte des Raumes stehen und wandte sich an Püppi.
    »Hast du eben gesagt, dass sie« – sie zeigte auf die Pflegerin – »Lorinas offenen Account benutzen wollte? Wir kommen also ohne ein weiteres Passwort in die Untergruppe im Labyrinth-Chat?«
    Püppi nickte.
    »Verbinde ihr die Augen und bring uns dann den Laptop.«
    Püppi fand neben dem Krankenbett einige Verbandspäckchen, fischte eine dicke Rolle Mull heraus und ging zur Novizin, die offenbar begriff, dass sie nun nicht nur taub, sondern auch blind sein sollte. Sie rollte wild mit den Augen und schüttelte den Kopf, aber Püppi wickelte ungerührt einige Meter Gaze um ihre Schläfen, die dröhnenden Ohrhörer und die Glitzerspange herum, bis sie aussah wie eine Hirnverletzte. Dann holte er den Laptop.
    Er klickte sich durch die virtuellen Gänge des Online-Labyrinths und pfiff leise.
    »Hier steht’s: ›Herzdame hat den Chat betreten.‹ Und Lorina benutzt für den Internetzugang einen Surfstick, also können wir den Laptop überallhin mitnehmen.«
    Gemma trat neben das Bett und verkündete ihr Urteil: »Ich bin ganz sicher nicht wie du. Ich werde dich nicht töten. Das wäre viel zu einfach. Außerdem ist mir klar geworden, was in Wirklichkeit deine Botschaft war, für die du Evis Gesicht missbraucht hast. Du wolltest mich nicht wiedersehen, um dich zu verabschieden, nein, du wolltest, dass ich dich umbringe, weil du selbst es nicht kannst. Du bist zu feige. Das warst du immer. Also hast du dir gedacht, soll ich doch diesen dreckigen Job erledigen und den Rest meines Lebens darüber nachdenken. Auch eine Art von Unsterblichkeit. Aber, Mutter« – sie senkte ihre Stimme und flüsterte Lorina direkt ins Ohr –, »du wirst genauso jämmerlich verrecken, wie du es verdient hast. Ich mache es dir keine Sekunde kürzer. Deine letzte Nacht ist noch lang.«
    Dann drehte sie sich zu Fiona und Püppi um. »Wir haben viel vor. Wir räuchern den ganzen verdammten Zirkel aus. Wir lassen sie das tun, was sie am liebsten tun, nur werden sie sich diesmal gegenseitig killen. Wir nehmen dein Haus, Eule, ist das okay?«
    Fiona nickte.
    Seitdem sie das blutüberströmte Badezimmer gesehen hatte, war es noch weniger ihr Zuhause gewesen als vorher. Püppi reichte der Grinsekatze den Laptop und rief auf
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