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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love
Autoren: Neslihan Dadas
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weiterging, dann ließen sie mich normalerweise immer in Ruhe - Ein Großteil von ihnen hatte bis vor einem Jahr noch in der Firma meines Vaters gearbeitet. Sie fürchteten sich anschneinend jetzt noch vor dem Erklang seines Namens. Meiner Mutter und mir hatte er nie erzählen wollen, was für ein Geschäftsmann er war oder welche Berufe er den jungen Menschen zur Verfügung gestellt hat. Wir beide haben trotzdem niemals geglaubt, er würde irgendetwas Illegales tun. Ich verstand deshalb überhaupt nicht, wer ihn ermordet haben könnte. Der Täter war unerwischt davongekommen. Mein Vater war, soweit ich wusste, ein ehrlicher, freundlicher Mann gewesen, auf den man sich immer verlassen konnte. Er hatte mir jedes mal die Wünsche aus den Augen abgelesen und mir alles gekauft, was ich haben wollte. Wenn es um mich ging, waren ihm nicht einmal tausend Dollar zu viel gewesen. Ich hatte ihm wirklich alles bedeutet. Es war zu schade, dass er nicht mehr auf dieser Welt verweilte.
Ich hielt mitten beim hinübergehen der breiten, leeren Straße inne. Heute war doch sein erster Jahrestag. Wie hatte ich bloß nach Hause gehen wollen? ich musste die ganze Nacht bei ihm bleiben - egal, was meine Mutter davon halten würde!
Da der Friedhof nicht sehr weit weg war, beschloss ich die eine Stunde zu Fuß hin zu laufen, anstatt weiteres Geld für ein Taxi auszugeben. Ich beeilte mich extra - nicht aus Angst davor, dass mir irgendetwas passieren könnte, sondern, weil ich so schnell wie möglich bei ihm sein wollte. Es war schon lange her, seit ich das letzte mal bei ihm gewesen bin. Ich hatte es absichtlich vermieden, um der Trauer ein kleines bisschen zu entkommen. Heute Nacht jedoch wollte ich nicht anderes als weinen und an die alten Zeiten zurückdenken. Heute war der perfekte und richtige Zeitpunkt dafür.
Die flache, gerade Straße vor mir lag frei. Es waren jetzt, abgesehen von dem dichten, grauen Nebel, der sich ziemlich schwer in der Luft anfühlte, keine Menschen mehr zu sehen. Die meisten vermieden den Friedhof bei Nacht natürlich, doch ich fühlte mich dort mehr als nur sicher. Auch wenn nur die seelenlose Leiche meines Vaters dort lag und die Insekten wahrscheinlich nur noch sein Skelettgerüst dagelassen hatten, so bekam ich immer das Gefühl an seinem Grab vor allem Bösen in Sicherheit zu sein. Dann machten mir weder die Fledermäuse, die raschelnd durch die Lüfte flogen und sich dann an den unzähligen Ästen der Bäume herabhängen ließen, noch die die Engelsstatuen auf den vielen Gruften der verstorbenen reichen Leute irgendetwas aus.
Ich vergaß alles um mich herum, als ich das pflegebedürftige Grab meines Vaters zwischen all den anderen sah. Jedem anderen Menschen wäre es total gewöhnlich mit dem hellgrauen, eckigen Grabstein auf der anderen Seite, auf dem sein Name, sein Gerbutsdatum und auch sein Todesdatum hineingeschleift worden waren, vorgekommen, doch ich konnte es ganz deutlich herausstechen sehen. Ich hatte es, obwohl ich so lange nicht mehr hier gewesen bin, in über fünfzig Meter Entfernung erkannt und ich hätte es ganz bestimmt auch noch viel früher entdecken können, wären da nicht die Bäume und die Gruften gewesen. Der Vollmond erleuchtete den schmalen Weg, der aus grauen, kleinen Steinen bestand, und führte mich direkt zu ihm. Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich ankam. Mein Körper fühlte sich auf einmal so schwach und hilflos, dass ich sogar meine Handtasche zu Boden fallen ließ. Es war mir vollkommen egal, dass die aufklappte und meine Sachen herausfielen.
Meine wahren Gefühle kamen nun zum Ausdruck und ich hielt sie kein bisschen zurück. Es war mehr als nur gut, dass mich keiner sehen konnte.
Ich schluchzte leise und fiel dann auf die Knie. Den Schmerz, der mich gleich darauf durchfuhr, spürte ich kaum, weil meine Sinne total abgelenkt waren. Ich starrte geradewegs auf seinen Namen, der irgendwie zu Leuchten schien.
Ramon Harsen. kam es mir flüsternd über die Lippen. Der Erklang seines Namens durch meine eigene Stimme ließ mich kurz erschaudern. Wie lange hatte ich ihn nicht mehr ausgesprochen oder von irgendjemandem gehört? Es war auf jeden Fall schon eine Ewigkeit her. Die Tränen hörten nicht mehr auf zu Fließen und ich versuchte auch gar nicht das laute Schluchzen, das immer wieder meine Kelhe verließ zu unterdrücken. Ich wollte weinen, ich wollte, dass seine Seele mich hörte und vielleicht sogar in Erscheinung trat, damit ich ihn nur ein einziges mal
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