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Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)

Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)

Titel: Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
Autoren: Tabita Lee Spencer
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Schneidezähnen ist eine große Lücke. Seine Stimme ist so rau, als hätte er sein Leben lang zu viel geraucht oder gesoffen. Sein Blick hat etwas seltsam Vertrautes, das mich sofort alarmiert.
    »Ist das Ihrer?«, will Rudy wissen und deutet mit dem Kopf auf das Auto.
    »Was haben Sie denn damit gemacht, Herr Sokoloski?«, platze ich heraus und könnte mir auf die Zunge beißen.
    Sein Blick verhakt sich mit meinem. Er hat grüne Augen, die trotz des bedeckten Himmels strahlen, die sich so intensiv in meine bohren, als könnte er damit in mein Innerstes schauen. Bist du Sam Rosell?, denke ich mir. Los, zeig dich, du elende Ratte.
    »Diego Rosell«, sagt der Mann mit seiner rauen Stimme, als hätte er meine Gedanken gespürt. »Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
    »Ach, Sam Rosells Bruder?«, will Rudy wissen und grinst breit.
    Diego antwortet nicht, sieht weiterhin nur mich an.
    »Indie Spencer«, antworte ich förmlich. Du weißt das, Junge. Was soll das blöde Herumgerede. Sam Rosells Bruder, was für ein Quatsch.
    »Werfen Sie das alles weg?«, fragt Rudy und unterbricht damit die angespannte Stille. »Wenn Sie die Oppossumfallen nicht mehr brauchen, ich hätte da schon Verwendung für …«
    Diego deutet wortlos hinter sich, aber er lässt mich nicht aus den Augen, als wolle er sich mein Gesicht einprägen. Mit einem breiten Grinsen geht Rudy über die Straße, um sich anzusehen, was alles auf der Veranda gestapelt ist.
    »So, wir müssen dann«, sage ich und packe Dawna am Ärmel. Dawna sieht aus, als hätte sie ein Gespenst gesehen. Er kann uns nichts, denke ich mir, aber sie scheint das nicht wahrzunehmen. Der kann uns echt nichts. Er ist nicht Sam Rosell, da bin ich mir hundertprozentig sicher. Hast du seine Augen gesehen? Seine Augen sind ganz anders, ich bin mir sicher, ich würde es an den Augen erkennen.
    Miley schlendert Rudy hinterher.
    Endlich interessiert sich Diego Rosell nicht mehr für mich. Er geht vor seinem Wagen in die Hocke und begutachtet die eingedrückte Vorderseite. Morti steht neben ihm, die Hände vor der Brust verschränkt und die Augenbrauen gerunzelt.
    »Lass uns gehen«, zische ich Dawna zu. »Pack deinen Miley und los geht’s.«
    Stumm dreht sie sich von mir weg, geht mit mir über die Straße. Während Dawna Miley zu überzeugen versucht, dass er sich von uns zu seiner Mutter bringen lässt, bleibe ich vor dem Gerümpel stehen. Auf der Veranda liegen noch die Schokoladenriegel, die in dem zerplatzten Karton gewesen waren. Der Anblick erzeugt ein Schwindelgefühl hinter meinen Augen und ich habe plötzlich den Geschmack von alter Schokolade auf meiner Zunge. Sam Rosells Sonnenliege lehnt halb über einer Schachtel mit Papier und einer alten Decke. Sonnenliege. Ich habe sofort wieder das Bild vor Augen. Der Keller von Rosell’s General Store. Die Sonnenliege. Die Decke. Die Coke. Und die Blätter. Die Blätter mit den Zahlen, die kleine ordentliche Schrift. Irrsinnig klein, lauter Zahlen, Zahlen, Zahlen. Kolonnen von Zahlen. Ich beuge mich über den Karton mit Papier und mir wird sofort richtig schwindelig, als ich sehe, was es ist. Diego Rosell hat anscheinend das Kellerabteil ausgeräumt und will die Blätter mit den Zahlen wegwerfen.
    Die Zahlen sind genauso winzig, wie ich sie in Erinnerung habe. Hier draußen im Tageslicht kann man es viel besser erkennen als drunten im Keller. Denn plötzlich fällt mir auf, dass es nicht nur Zahlen sind, sondern elend klein auch Zeichen.
    Zeichen.
    Nicht irgendwelche Zeichen, chinesische Schriftzeichen, in regelmäßigen Abständen. Als hätte sich jemand die Mühe gemacht, ein Blatt zu verzieren. Es sieht aus wie ein Schmuckblatt, als würden die Zahlen und Zeichen keinen Sinn ergeben, als hätte jemand, ohne darüber nachzudenken, irgendetwas aufgeschrieben. Zahl. Zahl. Zahl. Chinesisches Zeichen. Und wieder. Zahl. Zahl. Zahl. Chinesisches Zeichen.
    »Lass uns jetzt gehen«, sagt Dawna, so nahe neben mir, dass ich erschrecke.
    »Die ist noch voll in Ordnung«, stellt Rudy fest und klemmt sich eine Lebendfalle unter den Arm. »Der spinnt doch, so was wegzuwerfen. Andere Leute würden sich drum reißen.«
    »Scheiße«, sage ich. Ich fühle mich, als wäre ich gerade aus einer festen Trance erwacht, den schalen Geschmack einer langen, unruhigen Nacht auf den Lippen.
    Chinesische Schriftzeichen können eigentlich nur eines heißen. Lilli-Thi.
    Lilli-Thi macht keine Schmuckblätter. Die Blätter müssen eine Bedeutung haben. Vielleicht
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