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Darf’s einer mehr sein?

Darf’s einer mehr sein?

Titel: Darf’s einer mehr sein?
Autoren: ROLF C. FRANCK MADELEINE FRANCK
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daher leichter in Konfliktsituationen, was sich wiederum durch Lerneffekte auch auf ihr Verhalten auswirkt.
    In einer Hundefamilie entwickelt sich mit der Zeit nicht nur ein gegenseitiges Verständnis, sondern auch ein gewisser Dialekt der Hundesprache. Dieser Dialekt kann aus feinen oder groben Signalen bestehen, weshalb sich im Idealfall bereits der Schlüsselhund dadurch auszeichnet, dass er mit leisen Signalen kommunizieren kann. 
    Auch der Mensch muss lernen, die Sprache seiner Hunde zu verstehen, wenn er Spannungen erkennen will. Zum Thema Körpersprache von Hunden gibt es in vielen Lehrbüchern Schautafeln, die einzelne Signale abbilden. Dort wird dann häufig einer bestimmten Körper-, Ohr- oder Rutenhaltung ein bestimmter Emotionszustand zugeschrieben und erklärt, welchen Kommunikationsinhalt das jeweilige Signal transportieren soll. Dies scheint uns eine sehr grobe Vereinfachung eines komplexen Verständigungssystems. 
     

    Bei offensichtlichen Stressanzeichen sollte der Besitzer sofort eingreifen.
     
    Solche Schaubilder orientieren sich in der Regel an wolfstypischen Hunden, wozu ein großer Teil der Hundepopulation aber nicht gehört, der stattdessen Schlappohren, Falten oder sonstige nicht übereinstimmende Körpermerkmale hat. Verschiedene Signale werden immer unterschiedlich intensiv benutzt, abhängig vom Typ, der Rasse, der Größe und auch der Lernerfahrung des Hundes. Und damit verändert sich auch deren Bedeutung. Jede Abbildung eines Kommunikationssignals ist eine reine Momentaufnahme, wogegen Kommunikation etwas ist, das ständig weiterläuft. Psychologen beschreiben dieses Phänomen mit dem Satz: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“
    Woran sollte der Mensch sich also orientieren? Wie so oft lautet die Antwort: an seiner Intuition, die es ebenso zu schulen gilt wie die genaue Beobachtungsgabe für Kleinigkeiten. Mensch und Hund verstehen sich auch deshalb so gut, weil vor allem ihre nonverbale Kommunikation sehr ähnlich ist. Menschen wie Hunde empfinden es zum Beispiel als bedrohlich, wenn jemand ungefragt auf sie zustürmt, sie körperlich bedrängt, sie intensiv anstarrt oder anbrüllt. Und wie bei Menschen gibt es unter Hunden „kulturelle Unterschiede“ in der Kommunikation, die sich auf die Individualdistanz oder auch die Lautstärke auswirken, mit der sie sich üblicherweise austauschen. Trifft ein Spanier auf einen Norweger, können vielleicht ähnliche Missverständnisse entstehen wie zwischen einem Labrador und einem Dalmatiner. 
     

    Flo und Paula kennen sich seit drei Tagen. Paula möchte spielen, Flo am liebsten ihre Ruhe haben.
     

    Paula versucht mit verschiedenen Gesten, Kontakt aufzunehmen.
     
 
    Drohsignale können vom Hund offensiv oder defensiv genutzt werden; sie dienen vor allem dazu, Abstand herzustellen. Eine unvollständige Auflistung zu dieser Kategorie gehörender Signale wäre Ansehen, Anstarren, Knurren, Bellen, Zähnezeigen, In-die-Luft-Schnappen, Beißen – mit steigender Eskalationsintensität. Deeskalierend wirken dagegen Abstandhalten, Stehenbleiben, Wegsehen, Sich-aktiv-Wegdrehen oder Weggehen, Sich-klein-Machen, Wimmern und Jaulen, Licking Intension (Zungezeigen beim sogenannten „Leckvorhaben“) und so weiter. Vor ein paar Jahren hat Turid Rugaas in ihrem Buch Calming Signals nahezu jedes hündische Verhalten (mit Ausnahme der Drohsignale) als Beschwichtigungssignal interpretiert. Und genau das zeigt das Problem bei der Analyse einer komplexen Kommunikation: Jeder Hund kommuniziert individuell, abhängig von seinem Erscheinungs- und Rassetyp, von seinen Lernerfahrungen und so weiter. Ein Hund, der zuvor eine Welpenspielgruppe besucht hat, geht vielleicht davon aus, dass Knurren eine normale Spielaufforderung ist. Nicht jeder Vierbeiner benutzt jedes Signal, oft werden einzelne Stufen der Eskalation übersprungen, noch häufiger mehrere Signale kombiniert. 
     

    Flos Blick spricht eine eigentlich unmissverständliche Sprache. „Lautere“ Signale waren nicht nötig.
     

    Paula signalisiert deutlich, dass sie Flos Blick verstanden hat, indem sie Abstand hält und in die andere Richtung schaut.
     
    Der Mensch muss also ein Gefühl für den Dialekt entwickeln, den seine Hunde sprechen. Spannungen und Stress lassen sich meist erfühlen, wenn man genau hinschaut. Laufen zwei Hunde auf dem Spaziergang freudig und locker nebeneinanderher? Oder laufen sie zwar nebeneinander, jedoch so, dass einer darauf bedacht ist, den Abstand
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