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Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)

Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)

Titel: Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
Autoren: Dr. Josephine Chaos
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heruntergeklappten Ecke seiner Tageszeitung.
    »Waaaaaaaas?«, jault es wehleidig vom entgegengesetzten Tischende zurück. Das Kind fühlt sich väterlich missverstanden. Zu Recht, wie ich meine, denn beim ersten Blick in den Spiegel vor einer halben Stunde schoss mir exakt derselbe Gedanke durch den Kopf. Das Schlimmste an der ganzen Nummer ist: Ich sehe nicht nur mies aus, ich fühle mich auch so. Beschissen! Zum Kotzen! Mir ist schlecht, der Kopf dröhnt, in meinen Ohren rauscht die Klospülung, und je länger ich Sohn klein betrachte, wie er da auf seinem Cerealienmatsch herumkaut, desto lauter wird das Rauschen in meinen Mittelohrgängen.
    Kind eins, männlich, erstgeborenes Chaos-Kind und mit Mutters ausgeprägtem Empathie-Gen vorbelastet, schielt nun ebenfalls neugierig hinter dem Wirtschaftsteil der Tageszeitung hervor, kratzt sich gedankenverloren am frisch rasierten Kinn und bestätigt mitfühlend: »Er hat recht: Mom sieht wirklich nicht gut aus!«
    Noch bevor ich zum Verteidigungsschlag ansetzen kann, rettet mich Chaos-Kind zwei, unser reizendes Teenager-Töchterlein, mit langgezogenem, infernalischem Gebrüll in letzter Sekunde vor einer Antwort, die ich definitiv nicht hätte geben können.
    »MOOOOOOOOM, wo ist mein lila Sweatshirt?«
    Erleichtert springe ich von meinem Platz auf und verlasse – den Blick dreier fragender Augenpaare im Rücken – das Esszimmer im Laufmarsch, Richtung Waschküche, wo ich sehr lange und sehr akribisch nach dem gewünschtem Lieblingsshirt suche. Welches sich – wie ich zufällig ganz genau weiß – an unterster Stelle des frisch gewaschenen Klamottenberges befindet, der im Schlafzimmer aufs Gebügeltwerden wartet. Aber das muss ich ja keinem auf die Nase binden. Hauptsache, erst mal weit weg von bohrenden Kinderfragen, unangenehmen Frühstücksdüften und strengen Vater-Blicken.
    Als ich zehn Minuten später leidlich erholt und mit wenig mehr Farbe im Gesicht in die Küche zurückkehre, hat Herr Chaos die Kinderlein, bereits mit Schulsachen bepackt, zusammengetrieben und ins Auto gescheucht. Ich bekomme den obligatorischen Abschiedskuss und einen aufmunternden Klaps auf den Hintern.
    »Sehen wir uns noch vor deinem Dienst? Ich habe ab 16 Uhr Homeoffice?«
    »Nee!«, antworte ich ausweichend, bis zum Haaransatz voll schlechtem Gewissen. »Ich muss vorher noch in der Apotheke vorbei – ich krieg gerade Migräne!«
    »Armes Ding, du! Lass uns telefonieren!«

    Erleichtert winke ich ihm hinterher, als er durch die Tür zum vollgepackten Auto sprintet, aus dessen Fenster mich drei fröhliche Chaos-Kinder angrinsen.
    Verdammt, Josephine – ein neues Auto brauchen wir AUCH NOCH! Gedankenverloren winke ich der Familienkutsche hinterher und sehe dabei großfamilienkompatible Großraumlimousinen an meinem inneren Auge vorbeiziehen. Schweineteuer wird das werden, schweineteuer …
    Der dunkle Van ist schon längst um die nächste Ecke verschwunden, während ich queenlike freundlich weiterwinkend in der Eingangstür stehen bleibe. Herr Bärenhuber, unser Schickimicki-Nachbar von gegenüber, parkt gerade sein Mercedes SLK-Cabrio (iridiumsilber-metallic!) schnittig rückwärts aus der Ausfahrt, um ebenfalls freundlich grüßend an mir vorbeizufahren, als mir schlagartig klar wird, dass ich nur mit meinem Uralt-Lieblingspyjama bekleidet quasi mitten im Vorgarten stehe. »Au weia – da hat Frau Müller-Bärenhuber heute Abend wieder massig Stoff, auf »Fatzebuck« über mich abzulästern.
    Seufzend mache ich auf dem Puschelschlappenabsatz kehrt und verschwinde im Haus.

    Als ich um kurz vor 16 Uhr das Aquarium des Kreißsaals zum Dienstbeginn betrete, herrscht ungewohnte Stille. Lediglich O-Helga, unsere Ober-Hebamme, sitzt mit einer fröhlichen Auswahl an Buntstiften vor einer sorgfältig auf einen Din-A4-Bogen übertragenen Excel-Tabelle, die bislang nur ein einziges, mittig positioniertes Wort in leuchtend roten Lettern ziert: »DIENSTPLAN«.

    »O-Helga, was machst du da Schönes?«
    »Na, wonach sieht es denn wohl aus?«, brummt es giftig zurück, ohne dass die alte Hebamme auch nur den Kopf zum Gruß hebt. Dann stößt sie einen langen, einen sehr langen Seufzer aus und reibt sich mit dem Handrücken über die geschlossenen Augen, als könne sie so dieses Elend eines jungfräulichen Dienstplanes schwuppdiwupp einfach wegwischen. Klappt wohl nicht, denn der Plan bleibt leer und der Blick böse.
    Ich trete schleunigst den geordneten Rückzug an. Mit schlecht
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