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Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)

Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)

Titel: Dann press doch selber, Frau Dokta!: Aus dem Klinik-Alltag einer furchtlosen Frauenärztin (German Edition)
Autoren: Dr. Josephine Chaos
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geworfen wird.
    Eine rein rhetorische Frage, denn aus jahrelanger Erfahrung weiß ich sicher, dass von Soli zu diesem Zeitpunkt keinerlei Hilfe zu erwarten ist. Die kleine Italienerin steht nämlich kein bisschen auf übertriebene Überzeugungsarbeit. Wenn diese Frau eine Sectio will, dann soll sie eben eine Sectio haben. So einfach ist das. In den Jahrzehnten ihrer beruflichen Tätigkeit hat O Sole Mia bereits unzählige Kinder auf jede nur erdenkliche Art zur Welt gebracht – der Ehrgeiz, irgendjemanden zu irgendetwas zu überreden, was dieser Jemand obendrein gar nicht will, ist ihr schon vor Ewigkeiten abhandengekommen.
    Und so steht sie jetzt achselzuckend und mit zusammengepressten Lippen wie festgeklebt auf ihrem Platz am Kopfende des Bettes und schaut neutral. Zumindest versucht sie es.
    Nicht schlecht gewählt, die Position, denke ich mir, als Frau Pharma einen ihrer Hausschuhe nach mir wirft und meinen Kopf dabei nur um Haaresbreite verfehlt.
    An dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass Gynäkologen zum Erlangen ihres Facharztstatus per se verpflichtet sind, an einem »Empathie-Kursus« teilzunehmen, der ihnen vermitteln soll, sich adäquat in den jeweiligen Patienten einzufühlen. Einfühlen, mitfühlen und vor allem verstehen, warum der betreffende Mensch sich so verhält, wie er es tut. Und man lernt: Egal, was er auch tut – man muss immer und in jedem Fall Ruhe bewahren! Souverän, ruhig und lieb bleiben!
    Ich schwöre, ich bin lieb! Wirklich! Aber Nierenschalen nach mir werfen und Hausschuhe und überhaupt – das geht dann doch ein bisschen zu weit. Also schrei ich – nur ein kleines bisschen unsouverän – zurück:
    »Frau Pharma? FRAU PHAAARMAAAA?! Reißen Sie sich mal zusammen und pressen Sie jetzt, statt hier so rumzufurien. Das Kind ist doch schon fast draußen!«
    Frau Pharma indes ist mein Appell gerade völlig egal. Aber so was von! Statt zu pressen und ihr Kind in Nullkommanichts auf die Welt zu bringen, schreit sie hysterisch und wirft mir dann eine Batterie von Schimpfwörtern an den Kopf, deren Bedeutung ich erst noch googeln muss.
    »Dann press doch selber, Frau Dokta!« Mit diesen Worten springt Frau Pharma urplötzlich zwischen zwei Wehen einfach vom Kreißbett auf und stürmt in Windeseile davon. Aus Saal IV (apfelgrün), durch die Kreißsaal-Schnappschlosstür und weiter Richtung Aufzug, vorbei an Wöchnerinnenstation und OP-Bereich.
    Völlig verdattert glotze ich der Frau nach, die sich, nur in ein rückenfreies Klinikhemd gewandet und die Kabel des CTG-Geräts luftschlangenartig hinter sich herziehend, in beeindruckender Geschwindigkeit aus dem Staub macht.
    Ähm – Hallo? Das macht man aber nicht! Werdende Mütter stehen nicht zwei Atemzüge vor der Entbindung auf und rennen davon! Die bleiben liegen, pressen, und wir fangen dann die Kinder auf. So geht das! Meinetwegen sitzt die Schwangere dabei oder hängt an einem Seil beziehungsweise an ihren Mann geklammert über einer gut gepolsterten Matte – falls das Kind mal schneller kommt, als die Hebamme zugreifen kann –, aber WEGRENNEN geht gar nicht!

    Immer noch fassungslos drehe ich mich zu O Sole Mia um und stottere verdattert: »Soli, wir haben ein Problem!« Doch da ist sie auch schon, hast-du-nicht-gesehen, weg. So schnell ihre kleinen, stämmigen Beine sie tragen, flitzt sie jetzt hinter Frau Pharma her, lauthals beruhigende Dinge über den Klinikgang brüllend (oder zumindest DAS, was sie für beruhigend hält):
    »Frau Phaaaarmaaaa! Frau Phaaarrmmaaa? Alles wird guuhuuut. Aber Sie müssen jetzt schön wiiiiiederkommen!«
    Es ist wie bei einem schlechten amerikanischen Slapstick: Eine völlig entfesselte Schwangere rennt laut fluchend und wütend durch die Gänge, im Schweinsgalopp dicht gefolgt von einer winzigen, pummeligen Hebamme mit fliegenden Löckchen und einer immer noch japsenden, röchelnden Ärztin im wehenden Kittel.
    4 . 24  Uhr – Klinik-Flur
    Anästhesie-Pfleger Horst steht wie in Stein gemeißelt mitten im Aufzugsvorraum und hält vorsichtig ein sich windendes, spuckendes und schreiendes Bündel Frau in seinen Bärenpranken.
    Horst ist zwei Meter groß, breit wie ein Grizzlybär, weshalb die kleine Frau Pharma – selbst mit schwangerem Bauch – keinerlei Problem für ihn darstellt. Vorsichtig hebt er die immer noch wild um sich schlagende Patientin hoch und trägt sie behutsam zurück nach Kreißsaal IV, vorbei an fünfzehn weitgeöffneten Türen der Wöchnerinnenstation, aus denen ein
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