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Dann fressen ihn die Raben

Dann fressen ihn die Raben

Titel: Dann fressen ihn die Raben
Autoren: David Meinke
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Doch als mein Breezer kam und ich bezahlen wollte, fiel mir siedend heiß ein, dass ich mein ganzes Geld – bis auf die letzten 25 Øre – in die Afghanenjoints investiert hatte, die in meiner Tasche lagen. Links von mir stand ein süßes Chick. Kurzes, blondiertes Haar, etwas verschwitzt und mit einem Lächeln auf den Lippen. Die Anlage hämmerte uns gerade wie ein Jetmotor irgendeinen ohrenbetäubenden Tanzhit aus den 90ern in die Köpfe, also formte ich meine Hände zu einem Trichter und legte meinen Mund an ihr Ohr.
    „Du hast nicht zufällig gerade 25 Kronen für einen echten Matrosen übrig?“ Sie zog ihren Kopf zurück und musterte mich.
    „Du bist doch nie im Leben ein Matrose, Freundchen!“ Sie war etwas mollig, auf diese appetitliche Art und Weise, bei der die Hüften ein klein wenig über eine tief geschnittene Hose quollen. Da konnte ich immer kaum widerstehen.
    „Ich habe die sieben Weltmeere bereist, noch bevor du auf die Welt kamst, Schätzchen“, rief ich ihr ins Ohr.
    „Was?!“
    „Ich sagte, dass ich immerhin schon mal in Esbjerg war.“
    Sie knallte der bescheuerten Barfrau einen Fünfzigkronenschein auf den Tresen und bestellte einen zweiten Breezer für sich. Die Bartender in beschissenen Discos und auf solchen Partys meinen immer, sie seien die Größten. Das Mädchen neben mir zeigte auf die Frau hinter dem Tresen und verdrehte die Augen.
    „Besten Dank, das ist sehr großzügig von dir.“
    Mädchen lieben Komplimente. Es gibt Jungs, die glauben, dass Mädchen ihren Stuhl gerne selbst vom Tisch abrücken, bevor sie sich setzten, dass sie es nicht mögen, wenn man ihnen die Tür aufhält und es als Beleidigung ansehen, wenn man ihnen Blumen schenkt. Aber diese Typen täuschten sich gewaltig und bekamen jene Mädchen ab, die so tun, als würde sie dieser Gentleman-Shit ärgern, weil sich für sie sowieso niemand die Mühe machte.
    Sie rief zurück: „Ich kann mich nicht erinnern, dich hier schon mal gesehen zu haben.“
    Die ganze Ruferei wurde mir anstrengend, also fragte ich sie, ob sie nicht mit rauskommen und eine rauchen wollte. Die Musik nervte gewaltig – das Gerücht, dass Aqua der Partyknüller wäre, hielt sich anscheinend hartnäckig. Ich schnorrte mir irgendwo eine Kippe, und wir redeten über alles Mögliche. Ich erklärte, dass ich ein Freund von Michael wäre, gerade Abi gemacht hätte und nun zur See fahren wollte. Mädchen hassen es, wenn der Typ jünger ist als sie, aber älter als zwanzig war sie garantiert auch nicht. Sie machte eine Ausbildung zur Krankenschwester – und wohnte offensichtlich hier, denn die Typen draußen waren ihr gegenüber schleimfreundlich und mir gegenüber weniger.
    „Zur See fahren? Und wohin?“
    „Bis ans Ende der Welt. Nein, keine Ahnung. Kommt darauf an, wo ich anheuern kann.“ Die Situation war ein bisschen unangenehm, aber ihre Augen wirkten glasig, und sie lächelte, wenn sie mich ansah. Außerdem wäre ich wirklich gern ein Seemann gewesen. Ihr Seemann.
    „Willst du noch einen Breezer? Oder ein Bier?“, fragte sie. Ich wurde langsam müde. Es war erst viertel nach zehn, aber ich hatte die letzte Nacht durchgemacht, um an unserem Projekt zuarbeiten, damit Liv nicht völlig durchdrehte. Der plötzliche Gedanke an Liv warf mich ein wenig aus der Bahn.
    „Wie heißt du eigentlich?“, fragte ich sie leicht schläfrig anstelle einer Antwort.
    „Rie“, antwortete sie.
    „Wollen wir eine Runde tanzen, Rie?“ Eigentlich war ich nicht der große Tänzer, aber ich wollte für einen Moment Liv vergessen, und außerdem war Rie eine richtige Schnitte. Wir tanzten, und bald schon legte ich meine Arme um sie. Sie duftete leicht nach Parfum, und auf ihrem Rücken perlte morgentauartiger Schweiß. Fantastisch.
    „Du bist mir ein …“, flüsterte sie mir ins Ohr,
    „… ganz schön Schlimmer“, fuhr sie fort. Und dann küsste sie mich. Perfekt. Es war ein träger Kuss, nur mit den Lippen, und er hörte sofort wieder auf. Aber er hinterließ eine vibrierende Spannung im ganzen Körper. Ich küsste zurück. Hin. Zurück. Hin. Zurück. Tick tack, tick tack.

WASHINGTON (CNN) – Violent animal rights extremists and ecoterrorists now pose one of the most serious terrorism threats to the nation, top federal law enforcement officials say.
    CNN, 19. Mai 2005
    Als ich die Augen aufschlug, passierte das, was immer passierte, wenn ich aufwache: Die Liste der Dinge, die ich erledigen muss, nimmt Form an. Erst freue ich mich, doch dann ist die
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