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Dann fressen ihn die Raben

Dann fressen ihn die Raben

Titel: Dann fressen ihn die Raben
Autoren: David Meinke
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engagierte Liv und ich, der neugierige, Fragen stellende Zuhörer. Der die Juristeneltern und den kleinen Bruder und den kleinen Hund anlächelte. Auch an diesem Nachmittag. Um drei bei ihr zu Hause. Bis dahin musste ich also den Samstag nutzen, um die Bücherei nach relevanter Literatur zu durchforsten. Mit dem Gedanken an Liv, der mir Herzflimmern bereitete, trabte ich bereits um ein Uhr dorthin. Und es war nicht das Thema Selbstjustiz, das mein EKG ausschlagen ließ. Wenn ich ein Mädchen kennenlernte, ging ich normalerweise ziemlich bald dazu über, sie mit den Augen auszuziehen. Durch ihre Klamotten zu sehen und mir ihre Brüste vorzustellen. Und wenn es nicht danach aussah, als ließe sich die Fantasiezeitnah in die Realität umsetzen, verlor ich schnell das Interesse. Mit Liv gab ich mich dagegen schnulzigen Träumen hin, in denen sie zaghaft meine Hände nahm und dabei schüchtern lächelte. Alles, was ich tat, hatte nur dieses eine Ziel. Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich es erreichen sollte. Ich musste Liebeskummer vermeiden. Ich war es überhaupt nicht gewohnt, so neben der Spur zu sein. Und so versank ich in Grübeleien, las amerikanische Comics und plötzlich war es zwei Uhr. Die Bibliothek machte zu, und ich hatte rein gar nichts erreicht. Ich stellte blitzschnell mein Handy aus, so wie ein Exraucher plötzlich zur Zigarette greift – eine reine Reflexhandlung. Ich konnte mich doch nicht eine Stunde später mit ihr treffen, ohne vorbereitet zu sein. Also ging ich stattdessen spazieren.
    Als es halb fünf war, machte ich das Telefon wieder an. Ich löschte die beiden Nachrichten von Liv auf der Mailbox, ohne sie abzuhören. Aber ich hatte auch eine Nachricht von Tobias.
    „Hallo … hier ist Tobias. Ruf mich an.“
    Ich rief zurück.
    „Ich bräuchte heute spontan ein paar Leute zum Plakatieren. Wäre das nichts für dich und Mateus?“
    „Mateus? Ich weiß nicht. Momentan ist er zu nicht so vielem zu gebrauchen.“
    Für einen Moment war es still in der Leitung. Tick tack.
    „Aber klar, ich kann ihn anrufen“, fügte ich schnell hinzu.
    Mateus war sofort Feuer und Flamme. Cecilie und er würden sich erst am Montag wieder zur Projektarbeit treffen, und er hatte schon fast alles vorbereitet. Ich holte ihn zu Hause ab und fühlte mich auf einmal wieder wie in der Mittelstufe, als wir ständig zusammenhingen. Es war schön. Ich begrüßte seine Mutter, und dann machten wir uns auf den Weg.
    „Plakate? Ich dachte, es gibt so eine Art Plakatmafia, die das fest im Griff hat?“, fragte Mateus, als wir in Richtung Haraldsgade liefen.
    „Und, wie läuft’s mit eurem Projekt?“, fragte ich, ohne darauf einzugehen.
    „Tja. Cecilie ist ganz in Ordnung. Nur so ein bisschen … übereifrig vielleicht. Außerdem ist unser Thema irgendwie auch ziemlich langweilig. Und was ist … mit Liv und deinem Projekt?“
    „Ich glaub nicht, dass wir das zusammen durchziehen. Eigentlich waren wir für heute Nachmittag verabredet.“
    „Was?! Die wird doch total ausrasten!“
    „Jepp.“
    „Seid ihr verkracht?“
    „Seit heute Nachmittag schon, denke ich. Mann … Sie ist so furchtbar ehrgeizig, du weißt schon.“
    „Ja. Dass ihr da Zoff bekommt, kann ich mir vorstellen.“ Er lachte. Zum Glück.
    Als wir bei Tobias zu Hause ankamen, sah dieser sich gerade irgendeinen Western an.
    „Die haben alle ihre eigene Erkennungsmelodie“, sagte er zur Begrüßung, als wir hereinkamen. Auf dem Bildschirm sah man gerade einen Typ mit Lederhaut, der Mundharmonika spielte.
    Wir setzten uns hin und glotzten ein wenig.
    „Was ist denn jetzt mit den Plakaten, Tobias?“, fragte Mateus irgendwann und trommelte mit den Fingern auf den Sofatisch.
    „Ach so, ja. Da drüben liegen vier Röhren – in jeder davon sind zwanzig Stück. In den Eimern ist Kleister. Ihr schmiert ganz einfach den Kleister an die Wand und klatscht die Plakate drauf. Ist für eine gute Sache“, fügte er hinzu.
    Ich zerrte ein Plakat heraus. Es war blau mit einer Erdkugel inder Mitte. Gesundes Leben, stand darauf. Ein Umweltfestival im Fælledpark, das in drei Wochen stattfinden sollte. Na klar.
    „Die hänge ich aber gern auf“, sagte ich.
    „Es wäre schlau, wenn ihr damit wartet, bis es dunkel geworden ist.“
    „Gibt es denn nicht irgend so eine Plakatmafia?“, fragte Mateus wieder.
    „Ihr seid die Plakatmafia“, antwortete Tobias. „Aber ihr könnt trotzdem warten, bis es dunkel wird.“ Mateus’ Augen flackerten unruhig hin und her.
    Als
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