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Daniel und Ismael

Daniel und Ismael

Titel: Daniel und Ismael
Autoren: J. Walther
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Berührung wie eine Seifenblase zum Zerplatzen zu bringen. Dann spüre ich seinen Körper an meinem Rücken, sein Haar in meinem Nacken, seinen Arm auf meinem.
    “Hältst du es jetzt neben mir aus, Daniel?”, flüstert er an meinem Hals.
    “Die ganze Nacht.” Und wirklich halte ich es die ganze Nacht neben ihm aus, und ich schlafe tief und zufrieden.
    “Du solltest jetzt gehen, Daniel. Meine Eltern kommen bestimmt bald zurück.”
    Mühsam öffne ich ein Auge einen Spalt breit. “Wieso, es ist doch noch dunkel?”, frage ich vergnatzt. Draußen dämmert es gerade erst.
    “Samstag vormittag ist immer Versammlung.”
    Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen. “Was für eine Versammlung?”
    “Bei den Bekennern, so eine Art Gottesdienst, außerdem beichtet man da öffentlich seine Sünden.”
    “Und, wirst du deine Sünde öffentlich bekennen?”
    “Welche Sünde?”, fragt er verschmitzt, “Ich habe nur jemanden umarmt, den ich gerne habe, richtig?”, er schaut mich ernst an.
    “Klar, richtig. Kann ich bezeugen.” Wir müssen beide lachen.
    “Geh jetzt, ja.”
    “Ja”, sage ich tonlos.
    “Sei nicht traurig.”
    “Bin ich nicht, Ismael, überhaupt nicht.”

 
    11
    Sonntag steht überraschend Katja vor meiner Tür. Ich habe sie seit unserem Gespräch auf dem Friedhof nicht mehr zu Gesicht bekommen.
    “Hi Daniel, wollen wir ‘ne Runde gehen. Wir müssen doch mal wieder quatschen.”
    Ohne Begeisterung folge ich ihr, denn ich habe nicht vergessen, wie sie beim letzten Mal reagiert hat, als ich ihr etwas Persönliches erzählt habe.
    Wir laufen die wie immer sonntäglich leere Dorfstraße runter, nichts ist trostloser als ein Dorf am Sonntag. Als Kinder sind wir auch oft die Straße so hoch und runter marschiert. Einmal haben wir Hochzeit gespielt, ausstaffiert mit einem alten Zylinder, einem Schleier aus Gardine und einem großen Wildblumenstrauß. Am Ende der Straße haben wir getauscht. Ich wollte auch einmal den Schleier tragen und Katja den Zylinder. In der Mitte der Straße hielt uns irgendein Erwachsener entsetzt an, weil wir ‘falsch’ rumliefen. Ich wusste überhaupt nicht was er meint.
    Katja erzählt, dass sie jetzt fast immer bei Gunnar ist, quasi schon da wohnt. Das Dachgeschoss bei den Schwiegereltern wollen sie sich bald ausbauen. “Aber nach der Arbeit geht er lieber erst noch einen mit seinen Kollegen trinken. Und ich warte zu Hause auf ihn. Obwohl er schon um sechs Schluss hat, kommt er meist erst nach GZSZ heim. Und dann wundert er sich, wenn ich sauer bin. Und mittags trinkt er auch schon ein oder zwei Bier.”
    Etwa an diesem Punkt beginnt sie zu weinen. Erst mal denke ich, dass Gunnar anscheinend ein ziemliches Schwein ist. Aber dann stelle ich mir vor, wie Katja abends vor dem Fernseher sitzt und mich mit Vorwürfen und kalt gewordenem Abendessen empfängt und ich merke, dass ich dann mein Heimkommen auch verzögern würde.
    Ich weiß nicht, was ich zu Katja sagen soll, ich suche nach einer tröstenden Geste, einem verständnisvollen Wort. Doch bald merke ich, sie will gar nichts von mir hören, sondern einfach nur erzählen.
    Gunnar hätte sie auch schon mal betrogen, sie hat ihm aber verziehen, es hat ihm ja leid getan. Ich glaube mir würde es schwer fallen, so etwas zu verzeihen. Aber dann wird mir klar, dass ich eigentlich nicht mitreden kann, dass ich ja gar nicht weiß, wie es ist, eine Beziehung zu führen.
    “Und guck mal hier”, Katja streckt mir ihre gepflegte Hand entgegen.
    “Ja? Was?”
    “Na, ich hab keinen Verlobungsring. Die Aline und der Stefan sind auch schon verlobt, nur Gunnar kommt nicht in Sack und Tüten.”
    Irgendwie könnte ich mir vorstellen, dass ich meinem Freund mit siebzehn auch noch keinen Heiratsantrag machen würde, aber ich glaube, das will Katja jetzt nicht wissen.
    Vor ihrer Haustür angekommen, sagt sie: “War schön, dass wir mal wieder geredet haben”, dreht sich um und geht ins Haus. Erst als sie schon rein ist, wird mir klar, dass sie mit keiner Silbe nach dem Jungen gefragt hat, in den ich mich verliebt habe. Genau genommen hat sie mich überhaupt nichts gefragt.

 
    12
    Endlich ist der Tag gekommen, an dem Ismael ins Feriencamp fahren soll. Brav steigt er in den Zug, nur dass er schon etwas eher als vorgesehen wieder aussteigt. Dort erwarte ich ihn, bepackt mit Zelt, Luftmatratze und Schlafsack. Am See angekommen suchen wir uns erstmal einen schönen, ruhigen Zeltplatz. Wir bauen das Zelt zwischen Kiefern auf dem weichen,
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