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Damon Knights Collection 2

Damon Knights Collection 2

Titel: Damon Knights Collection 2
Autoren: Damon Knight
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alle, die Menschen, sie mußten sich zu einem Winterpicknick versammelt haben. Ich gehe, nahm sie sich vor.
    »Ich stehe auf und gehe«, schrie sie.
    Der Arzt murmelte: »So, so. Die Bahn nutzt sich ab, das habe ich mir doch gedacht.« Und während er weiter in der Tiefe ihres Auges sondierte, sagte er etwas lauter zu ihr: »Ja, Sie können gehen, Sie haben sich Ihren Urlaub redlich verdient.«
    »Aber ich will mein Auge mitnehmen«, beharrte sie. »Ich muß, ich brauche es.«
    »Still jetzt, pscht«, sagte die Schwester beruhigend.
    »Sie können Ihr Auge mitnehmen«, versprach der Arzt. »Halten Sie jetzt still. Wir sind gleich fertig.« Aber seine Stimme klang irgendwie verzweifelt, und sie glaubte ihm nicht. Offenbar hatte sie das Auge verloren, und was hatte sie noch verloren? Den Kopf zu bewegen, wagte sie nicht, aber unter dem kalten sterilen Laken faltete sie ihre runzligen Hände.

Thomas M. Disch
 
5 Eier
     
    Weh mir, dachte er (in solchen Worten dachte er tatsächlich), weh mir, Nyctimene ist von mir geflogen. Seit ihrem ersten Abend auf dem Hügel unter der großen Eiche hatte er gewußt, daß es so kommen könnte, aber er hatte sich mit eiserner Willenskraft gegen dieses Wissen gewehrt – und jetzt war er nur noch ein Häufchen Unglück. Nyctimene war fort und würde nie zurückkehren.
    Sie war schöner gewesen, als er es je für möglich gehalten hatte: nicht von der exotischen Schönheit einer Möwe oder eines Flamingos, die ihrer Natur nach vergehen muß, keine vorübergehende Versuchung wie das Rascheln von Zweigen und das kurze Aufblitzen einer weißen Brust oder Flügelspitze durch das sommerliche Laub. Ihre Schönheit war ihm etwas völlig Neues gewesen. Wie ihr Gesicht über dem seinen schwebte, der grausame liebende Mund zu einem Lächeln geöffnet, das seiner eigenen Sterblichkeit spottete, ihre Augen. Hinter seiner Verzückung – hinter ihrer Verzückung – stand ihr gemeinsames Wissen, daß es nicht lange dauern würde.
    Vor Nyctimene hatte er es nicht für möglich gehalten, daß er sich so mitreißen lassen könnte. Liebe, hatte sie ihn gelehrt, war Jupiter – ein Riesenschwan, ein Goldregen, eine Tobjagd. Reue? Nein, das war eine Annehmlichkeit gewesen – für später, wenn die Tobjagd vorüber sein würde. Jetzt war die Zeit für Reue gekommen.
    Jetzt (oder in einer halben Stunde, um sieben Uhr) würde er vielleicht äußerst reumütig sein. Um sieben würden diejenigen Freunde kommen, die ihm noch geblieben waren, um ihm zu seiner Verlobung mit Nyctimene zu gratulieren. Wie sollte er ihnen sagen, daß sie fort war? Sollte er einfach verlegen tun, so als ob er sie zu einem Gartenfest eingeladen hätte, das wegen Regen ausfallen mußte? Konnte er denn überhaupt seinen Schmerz verbergen? Wahrscheinlich würde er sich betrinken. In seiner Lage war das noch der am wenigsten unerfreuliche Ausweg.
    Am Morgen war er in die Stadt gefahren, um für die Party einzukaufen, und wie immer in der letzten Zeit hatte man ihn geschnitten und hinter seinem Rücken getuschelt (ein Großteil der Städter meinte, Respekt für die Institution der Ehe fordern zu müssen und sah sich deshalb genötigt, sein allzu offenkundiges Verhältnis mit Nyctimene zu mißbilligen), und als er zurückgekommen war, hatte er ihr Briefchen gefunden:
     
    Liebster, wir wußten es, nicht wahr? Aber als ich davon sprechen wollte, als wir auf der Wiese lagen und zu den Sternen, den wundervollen Sternen, aufblickten, oder einmal, als wir uns küßten und Du von der Härte in der Mitte meiner Oberlippe sprachst und mit dem Finger den kleinen »Knochen« da berührtest, da wollte ich es Dir sagen. Aber Du wußtest es schon und ließest mich nicht zu Wort kommen.
    Ich werde nie vergessen, daß Deine Augen blau waren, wie seltsam Du warst, Deine Worte (von denen ich viele nie verstanden habe), Deine Zärtlichkeiten. Ich habe Dich geliebt, aber jetzt muß ich fort.
    Es hat nur zwei Monate gedauert! So kurz.
    Ich habe nie an dieses Wort von Dir geglaubt – unvermeidlich. Jetzt verstehe ich endlich, was Du damit meintest. Du meintest, es sei für Dich unvermeidlich, daß ich gehen würde. Das ist ein komischer Gedanke, und ich muß darüber lächeln. Vielleicht glaubst Du, daß ich weine. Wußtest Du, daß es mir rein physisch unmöglich ist, zu weinen?
    Die Eier, die ich in dem Korb zurücklasse, werden in dreißig von Deinen Tagen ausschlüpfen. Halte sie bei Zimmertemperatur – 21 Grad.
    Ich habe so über dieses komische
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