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Damon Knights Collection 10

Damon Knights Collection 10

Titel: Damon Knights Collection 10
Autoren: Damon Knight
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den Lippen und schleppte ihn hinaus in die Nacht. Und ich erinnere mich, daß ich zu solchen Zeiten manchmal so tat, als sei ich ans Fenster geschlichen, um den Tanz der Züge zu beobachten, was ich in Wirklichkeit niemals gewagt hätte, weil ich wußte, daß ich dabei sterben müßte; und dann schloß ich die Augen und bildete mir ein, ich sei ein Zug, und in meiner Vorstellung schwebte ich körperlos im Dunkel, ein paar Fingerbreit über den schimmernden Schienen, und dann begann die Schiene unter mir wegzugleiten, langsam erst, doch dann schnell und glatt wie fließender Sirup, und dann sauste die Dunkelheit vorbei, und dann fuhr ich auf und davon, begleitet von dem angestrengten Keuchen und dem bösen Stahlkichern eines Expreßgüterzugs, der die Nacht durchschnitt; ich hörte mich pfeifen mit der majestätischen Grausamkeit eines niederstoßenden Adlers und spürte die Weichen unter mir dumpf dröhnen und rattern, und selbst im Schlafe ging die Fahrt weiter, auf und davon, auf und davon.
    – Der Regen läßt allmählich nach, zieht über das Feld weiter, streift den Boden mit langen, schlaffen grauen Fingern.
    Das hohe Gras richtet sich langsam wieder auf, nickt trunken hin und her, schüttelt seine Wasserlast ab, so wie sich ein Hund nach dem Bad trockenschüttelt. Im Gefolge des Unwetters kommen bösartige kleine Windstöße, die das Gras noch heftiger peitschen als vorhin der Regen. Der Himmel reißt auf, schwarze Regenwolken, eng zusammengeballt, geben unvermittelt den Blick auf einen breiten Keil von Blau frei. Das Grau wirbelt und taumelt und klebt zusammen wie schwere Erde, die von einem Spaten umgegraben wird. Der Himmel ist jetzt ein verrücktes Mosaik aus Blau und Grau. Der Wind nimmt zu, verbeißt sich in die einstür zenden Wolkenmassen, spinnt sie zu feiner Zuckerwat te und peitscht sie dann hinweg. Ein breiter Sonnenspeer jagt aus den dunklen Unterseiten der Wolken, stößt zu Boden und taucht alles in einen goldenen Kathedralenglanz, durchsetzt von schimmernden grünen Reflexen. Es entsteht der Eindruck, als fiele das Licht durch ein getöntes Fensterglas, und die Gegenstände, die es umspielt, scheinen ganz schwach von innen heraus zu leuchten, scheinen sich plötzlich in geschmolzene Bronze zu verwandeln. Ein knorriger, zerfledderter Baum steht inmitten des Lichttümpels, und in seinen Zweigen tummeln sich nasse, schimpfende Vögel, und die Vogel fangen zögernd, verhalten, wieder zu singen an –
    Und ich erinnere mich, wie ich als Junge durch die Wälder streifte, nichts suchte und alles fand: dieses Gehölz war verhext und jene Felsgruppe ein Räuberversteck, und dicht neben mir, fast in Sichtweite, bra chen Dinosaurier durch das Unterholz, und jeder wuß te, daß im Meer dicht unter den Wellenkämmen Drachen schwammen, und der glitzernde alte Scherben einer Cola-Flasche war ein Zauberstein, mit dessen Hilfe man fliegen oder sich unsichtbar machen konnte, und wenn man an jenem alten verlassenen Haus vorüberging, mußte man zweimal pfeifen und die Finger kreuzen, sonst wurde man von einem schauerlichen Schup pending geschnappt, und es gab Streit, peng, du bist tot, nein, bin ich nicht, und du hattest eine scharfe Büchse, mit der du all die gruseligen Ungeheuer erledigen konntest, die um die Schaukel im Hinterhof lauerten, ohne daß dir je die Munition ausging. Und ich erinnere mich, daß ich als Kind verrückt darauf war, eine Schatzhöhle zu entdecken, und die Überzeugung hegte, daß sich unter jedem Felsblock eine befand; und ich suchte mir einen langen Stecken, den ich zum Hochstemmen benutzte, und schwitzte und strengte mich an, bis ich den Stein endlich weggewälzt hatte, und wenn ich dann keinen Tunnel drunter entdeckte, redete ich mir ein, er sei trotzdem da und nur vom Sand verschüttet, und dann holte ich eine Schaufel und buddelte bis zu einem Meter tief, um den Tunnel oder die Schatzhöhle freizulegen, und wenn ich sie dann immer noch nicht fand, ging ich heim zum Abendessen, zu Bohnen mit Würstchen und Schwarzbrot. Und ich erinnere mich, daß ich einmal tatsächlich eine kleine Höhle unter einem großen Felsblock entdeckte, und ich wollte es nicht glauben; ich war ängstlich, entsetzt und zornig und wollte nicht, daß sie existierte, aber sie tat es doch, und so steckte ich den Kopf hinein, weil ich irgendwie nicht fortkonnte, bevor ich das gewagt hatte, und es war dunkel drinnen und heiß und ganz still, und die Dunkelheit schien mich anzustarren, und ich glaubte ein
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