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Damon Knights Collection 10

Damon Knights Collection 10

Titel: Damon Knights Collection 10
Autoren: Damon Knight
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versuchte es mit dem Zimmer, das sie mit Martie teilte. Nun schien das Weinen aus dem anderen Schlafraum zu kommen. Sie stand eine Minute lang am oberen Ende der Treppe, dann rannte sie nach unten und versuchte Marties Nummer zu wählen. Ihre Finger zitterten so stark, daß sie zweimal von vorne anfangen mußte, bevor sie ihn erreichte.
    Danach wußte sie nicht mehr, was sie ihm gesagt hatte. Er kam eine Stunde später und entdeckte sie am Küchentisch, leichenblaß, verstört.
    „Ich glaube, ich habe einen Nervenzusammenbruch“, sagte sie ruhig. „Ich wußte, daß es manchen Frauen, die ein Kind verloren haben, so ergeht, aber ich dachte, ich hätte jetzt das Schlimmste überstanden. Ich habe es schon einmal gehört, vor Monaten.“ Sie sah starr geradeaus. „Sie werden mich wohl eine Weile zur Beobachtung ins Krankenhaus schicken. Ich hätte packen sollen, aber Martie, du wirst es nicht zulassen, daß sie mich in eine Heilanstalt stecken, nein? Was fehlt ihm nur, Martie?“
    „Liebling, sei einen Moment still, ja?“ Martie horch te angestrengt. Sein Gesicht war sehr blaß. Langsam öffnete er die Tür und ging in die Diele hinaus, den Blick der Treppe zugewandt.
    „Hörst du es?“
    „Ja. Bleib hier.“ Er ging nach oben, und als er wie der herunterkam, war er immer noch blaß, aber erleichtert. „Liebling, ich höre es, und das bedeutet, daß irgend etwas dieses Geräusch tatsächlich verursacht. Du bil dest es dir nicht ein. Es ist ein echtes Geräusch, und bei Gott, es klingt wie ein kleines Kind, das weint.“
    Julia schürte das Feuer, legte einen Stapel Stereoplatten auf und drehte auf volle Lautstärke. Sie machte im ganzen Haus die Lichter an und stellte den Wecker auf zwanzig nach sechs, um ja nicht Hilary Boyle zu versäumen. Sie hatte die Sendung noch nie vergessen, aber irgendwann konnte ein erstes Mal sein, besonders an einem Abend wie diesem, wo Martie sehr spät – wenn überhaupt – heimkam. Sie sehnte sich nach seinem Anruf. Es war halb fünf. Wenn er weg konnte, mußte er das Büro in einer Stunde verlassen; sieben Minuten später saß er dann im Zug, und um dreiviertel sieben war er daheim. Sie machte Kaffee und hob den Telefonhörer ab, um zu sehen, ob die Leitung nicht gestört war. Es schien alles, in Ordnung. Die Stereomusik erfüllte das Haus, ließ den Boden erzittern und die Fenster klirren, aber über dem Lärm konnte sie hin und wieder das Baby hören.
    Sie spähte nach draußen; die windgepeitschten Schneewolken waren undurchdringlich. Sie schaltete die Außenlichter ein, die Lampen an der Einfahrt und über der Stalltür, an der vorderen und hinteren Veran da, den Scheinwerfer über den vier Granitblöcken, die sie bereits fertig hatte und die nun im Hof auf die restliche Gruppe warteten. Während einer Sturmpause tauchten die Steine kurz aus dem Dunkel. Sie wirkten wie vierschrötige Wachtposten.
    Sie nahm ihren Kaffee mit ins Wohnzimmer, wo die Stereomusik am lautesten war, und setzte sich auf den Boden neben den schweren Tisch aus Kirschholz, den sie bis auf fünfunddreißig Zentimeter abgesägt hatten. Ihr Skizzenblock lag da. Sie starrte die oberste Seite an, ohne etwas zu sehen, dann öffnete sie den Block irgendwo in der Mitte und begann gedankenverloren darin herumzukritzeln. Die Platte wechselte; der Wind heulte durch den Hof; das Baby wimmerte. Als sie einen Blick auf ihren Block warf, spürte sie tief im Innern eine eisige Kälte. Sie hatte immer und immer wieder geschrieben: MÖRDER. Ihr habt meine Babies umgebracht. MÖRDER.
     
    Martie Sayre rief die Vermittlung zum drittenmal innerhalb einer Stunde an, „Sind die Leitungen immer noch gestört?“
    „Ich erkundige mich noch einmal, Mister Sayre.“ Rauschen, Stille, dann kam das Mädchen zurück. „Tut mir leid, Sir. Es hat sich nichts geändert.“
    „Gut. Danke.“ Martie kaute an seinem Bleistift und hielt stille Zwiesprache mit dem Bild auf seinem Schreibtisch: Julia, blond, dünn, strahlende Augen und ein entschlossenes Kinn. Sie war schön. Ihr Gesicht und der schmächtige Körper schienen nur zu betonen, was für einen zierlichen, wohlgeformten Knochenbau sie hatte. Er hingegen wirkte einfach hager und kantig. „Liebling, hör nicht darauf! Dreh die Musik lauter! Du weißt, daß ich kommen würde, wenn ich könnte.“ Das Telefon klingelte, und er nahm den Hörer ab.
    „Ich habe das Material über die Blizzards, das Sie verlangten, Mister Sayre. Dann sind da noch Mister Boyles Interviews mit Dr.
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