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DÄMONENHASS

DÄMONENHASS

Titel: DÄMONENHASS
Autoren: Brian Lumley
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eigene Vergangenheit.
    Seine Geschwindigkeit nahm zu, während er durch die Zeit gezerrt wurde wie ein Faden, der sich selbst aufspult. Tatsächlich sah er seinen eigenen blauen Lebensfaden – der nichts weniger war als der Verlauf und die Abfolge seiner vierdimensionalen Existenz von der Wiege bis zum Grab – in sich hineinschlüpfen, als er durch all die Jahre zurückglitt, die er bereits gelebt hatte. Und er dachte sich: Ich kehre zu meinen Anfängen zurück. Ich werde das alles noch einmal erleben müssen – bewirken und erleiden müssen –, alles noch einmal!
    Das war zu viel. Es war der Unterschied zwischen einem Traum und einem Albtraum. Und Harry Keogh erwachte ...
    ... schweißgebadet und keuchte auf: »Nein!«
    »Nicht!«, sagte sie sogleich. Ihre Stimme klang fast so erschrocken und verängstigt wie seine, doch nicht so heiser. »Du tust mir weh.«
    »Brenda!«, krächzte Harry, schluchzte fast ihren Namen, zweifelte zugleich daran, dass es ihr Name sei, und hoffte es dennoch. Er betete, dass alles nur ein Traum gewesen war – nicht allein das hier, sondern alles andere auch, alles – und erkannte im nächsten Moment, dass es kein Traum war. Nein, denn ihre festen Brüste, gegen die sie nun aus einem Impuls heraus seinen Kopf drückte, waren nicht die von Brenda. Sie roch nicht wie Brenda; und außerdem fiel ihm nun ein, dass es die Brenda, nach der er gerufen hatte, vor vielen, vielen Jahren in einer ganz anderen Welt gegeben hatte.
    »Brenda?«, wiederholte sie mit dem kehligen Akzent der Szgany, als er seinen Griff um ihre Arme lockerte und wieder auf das feuchte Bett zurücksank. »Hast du geträumt, Harry Herrenzeuger?« Sie beugte sich über ihn, stützte seinen Kopf mit einer kühlen Hand, strich ihm über die Stirn.
    »Geträumt?« Er sah zu ihr auf, versuchte sie deutlich zu erkennen. Es war nicht leicht; er fühlte sich schwach und vollkommen erschöpft. Das letzte Wort – in Verbindung mit dem Namen, bei dem sie ihn genannt hatte, Herrenzeuger – löste weitere Erinnerungen aus. Nein – nicht erschöpft: entleert. Beraubt. Von seinem eigenen Sohn, dem Herrn des Gartens. Und nichts davon war ein Traum gewesen – oder zumindest nur der letzte Teil. Und selbst dieser kam der Wirklichkeit so nahe, dass es keinen Unterschied machte.
    Er wandte den Kopf, sah sich in dem kleinen, aus gekalkten Steinen errichteten Raum um, den der Schein elektrischer Lampen erhellte. Eine einfache Behausung, kaum mehr als eine Höhle. Aber für manche bedeutete das schon Luxus. Gewiss für das Wandernde Volk, das vor dem Herrn und seinem Garten kein dauerhaftes Heim gekannt hatte. Harrys Stimme wurde so bitter wie der Geschmack in seinem Mund, als er murmelte: »Sternseite?«
    Sie nickte: »Ja, du bist auf der Sternseite, im Garten des Herrn. Dein Fieber ist gewichen.« Sie lächelte ihn an. »Du wirst wieder gesund.«
    »Mein ... Fieber?« Sein Blick wanderte wieder zu ihrem Gesicht. Im weichen, unregelmäßigen Schein der Lampen – der Großteil der Elektrizität aus den Generatoren des Herrn wurde in die Treibhäuser geleitet – wirkte es geradezu hübsch. »Ah ja, mein ›Fieber‹«, wiederholte Harry und nickte mürrisch. Er wusste, dass es kein Fieber gewesen war. Nur sein zerschmetterter Verstand, der sich allmählich wieder zusammenfügte. »Wie lange liege ich denn schon hier?«
    »Das ist das zweite Sonnunter«, sagte sie. Sie zog ihre Hand unter seinem Kopf hervor und schob ihm stattdessen ein Fellbündel als Kissen darunter. Dann erhob sie sich von ihrem Hocker und sagte: »Ich mache dir eine Suppe. Wenn du gegessen hast, wird der Herr Bescheid wissen wollen, dass du ...«
    »Nein!«, unterbrach er sie mit spürbarer Furcht. »Noch nicht, noch nicht ... gleich. Er muss es noch nicht erfahren. Ich brauche etwas Zeit für mich, um meine Gedanken zu ordnen.«
    Und sie fragte sich: Fürchtet er sich etwa vor seinem eigenen Sohn? Dann sollten wir uns vielleicht alle fürchten.
    Harry sah sie an, wie sie vor ihm stand und das attraktive, wenngleich sorgenzerfurchte Gesicht verzog. Sie war klein, wohl proportioniert, hatte dunkle, leicht schräg stehende Augen, eine für eine Zigeunerin kleine Nase und schimmerndes, schwarzes Haar, das ihr auf die Schultern fiel. Sie war in weiches Leder gekleidet, und die Leidenschaft ihres Volkes verlieh ihr, selbst wenn sie nur dastand, etwas Ursprüngliches, Geschmeidiges, Sinnliches.
    Sie ging zu einer Feuerstelle in der Felswand und hängte einen vorbereiteten
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