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Daddy Uncool

Titel: Daddy Uncool
Autoren: Greg Williams
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geantwortet.

6
    »Caitlin.«
    Die Frau sprach leise mit dem Mädchen und streckte ihre Hand nach ihr aus. Es regnete leicht. Einige Leute hatten Regenschirme aufgespannt, der Großteil aber nicht. Es war eher dichter Nebel als richtiger Regen. Sie wirkte groß für ihr Alter, obwohl ich gar nicht wusste, wie groß Dreizehnjährige eigentlich waren.
    Wir standen auf einem Friedhof in Guildford. Arme Cathy, so hatte sie sich ihr Ende sicher nicht vorgestellt. Im Regen, in einem Vorort, ihre Tochter begleitet von einer Vertreterin des Jugendamtes, eine zusammengewürfelte Schar von fassungslosen Freunden unter einem bedrohlich wirkenden Himmel, das Grab ihrer Mutter noch frisch neben ihrem eigenen.
    Ich sah zu der Tochter, die ich noch nie gesehen hatte. Sie starrte verwirrt auf den Sarg ihrer Mutter. Ihre jungen faltenlosen Augen zeigten nur Erschöpfung. Sie hatte ihre Schuluniform an - grauer Pullover, grauer Rock und Wollstrumpfhosen. Vernünftige schwarze Schuhe. Irgendwie wirkten die Sachen so, als wären es nicht ihre - es gab nicht die kleinste Spur von den bei Teenagern üblichen Veränderungen an ihrer Schuluniform. Es wirkte, als ob sie vergessen habe, wer sie war. Es brach mir das Herz, dass das Mädchen,
das viel zu jung war, um schon die dunkle Seite der Welt kennenzulernen, heute Morgen hatte aufstehen und sich ankleiden müssen, um seine Mutter zu Grabe zu tragen. Das arme Kind hatte allen Halt verloren.
    Die versammelten Erwachsenen versuchten, sie nicht anzustarren, aber allen war die tragische Situation Caitlins bewusst. Was passiert mit einem Kind in solch schlimmen Zeiten? Gab es Experten, die mit Rat und Führung halfen, die Erklärungen für die dunklen Ränke des Schicksals hatten? Woher soll man Hoffnung schöpfen, wenn so furchtbare, endgültige Dinge passieren? Ich sah die in Tücher schnupfenden rotäugigen Trauernden an und wusste, dass ich nicht der Einzige war, der so dachte.
    »Caitlin«, sagte die Frau, diesmal etwas lauter.
    Das Mädchen sah auf, überrascht, angesprochen zu werden. Die Frau lächelte und zeigte auf die weißen Rosen, die es in der Hand hielt. Caitlin sah in das Grab hinunter, und es wirkte, als ob sie sich stark konzentrieren und mit ihrer toten Mutter kommunizieren würde. Sie packte die Rosen fester, ihre Wangen röteten sich, und sie warf die Rosen in das Grab. Die Blumen verstreuten sich auf dem hölzernen Sargdeckel - Cathys Sargdeckel. Ein Trauernder schluchzte auf, mühsam die Tränen zurückhaltend. Caitlin drehte sich langsam zu ihm um. Ihr Gesicht wirkte überhaupt nicht mehr kindlich. Sie starrte den Mann an, der unfähig war, seinen Kummer zu verbergen. Jetzt strahlte sie etwas Pragmatisches, Unbeteiligtes aus, als könnte sie es nicht ertragen, mit jemandem zu tun zu haben, der sich so benahm.

    »Erde zu Erde«, sagte der Priester. »Staub zu Staub …«
    Ich ging weg. Ich konnte den Blick des Mädchens nicht länger ertragen.

7
    Wie bereitet man sich darauf vor, seinem eigenen Kind zu begegnen? Die meisten Eltern haben dafür monatelang Zeit. Sie können in Ruhe Vornamen aussuchen, das Kinderzimmer neu tapezieren. Sie können jede Menge Geld ausgeben - für einen Moseskorb, für Strampelanzüge, für eine Milchpumpe, für all die Sachen, die ihnen noch vor Kurzem so exotisch wie ausgestopfte Tiger vorgekommen wären. Ich hatte keinen dieser ermüdenden Nachmittage gehabt, an denen man sich bei John Lewis stimulierende Mobiles oder Mozart-Videos für Babys ansehen musste. Ich hatte keine Cafeteria-Gespräche über die unausweichlichen Veränderungen geführt, die nach der Geburt des Babys zu erwarten waren. Ich hatte nicht versucht, durch Berühren des Schwangerschaftsbauchs das Geschlecht des Kindes zu erraten.
    Mir wurde nicht in der Entbindungsklinik eiligst ein pinkfarben eingewickeltes schreiendes Neugeborenes in den Arm gelegt. Ich sah mich (wie ich vor Tagen bei der Beerdigung feststellte) mit jemandem konfrontiert, der fast erwachsen war, eine eigene Meinung und eine eigene Geschichte hatte.
    Mit jemandem, der größer als einige meiner Freunde war.

    Es war nicht so, als wenn man das Haus der Eltern erben würde, sondern eher, als wenn man plötzlich einen Safari-Park betreiben müsste. (»Ach ja, hier sind die Schlüssel. Viel Glück, und vergessen Sie nicht, die Tiger um fünf Uhr zu füttern.«) Und obwohl es kein Training dafür gibt, Eltern zu werden, glaube ich, dass man festeren Boden unter den Füßen hat bei jemandem, dessen Schädel
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