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Daddy Uncool

Titel: Daddy Uncool
Autoren: Greg Williams
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mittelalten Gurus in Gymnastikanzügen. In dem Zug spürte man eine Stimmung von Unbehagen und einen gewissen Druck, während er durch die heruntergekommenen Ecken Londons ratterte. Ich hatte das Gefühl, niemand würde freiwillig durch die Vororte fahren, als seien alle Gefangene. In einer Ecke arbeitete sich ein Mann in einem schlecht gebügelten T-Shirt und einem durchscheinenden Jackett durch seine Post. Dann zerriss er die Adressaufkleber und stopfte die Fetzen in einen großen Styropor-Kaffeebecher, der auf dem kleinen Tablett unter dem Fenster stand. Ich sah, wie er den Müll verstohlen unter seinen Sitz schob, als er sich unbeobachtet fühlte. Kurz überlegte ich, ihn bloßzustellen (Schmutzfink!), aber wahrscheinlich hätte ich mich nur zum Narren gemacht. Allerdings, wenn man so etwas durchgehen lässt, wo kommen wir dann hin …

    Gott, wie ich mich langweilte.
    Normalerweise las ich die Zeitung. Oder ein Buch. Irgendetwas, das mir das Gefühl gibt, etwas Sinnvolles zu tun, die Zeit nicht einfach zu verschwenden. Jetzt war es mir egal. Es war mir zu anstrengend, mit der Zeitung zu hantieren. Wie auch immer, die Reise führte ins Büro, dann kam der Lunch, dann der Nachmittag … es war irgendwie alles dasselbe.
    Alles war Langeweile, immer.
    In Waterloo kämpfte ich mich aus dem Zug und durch die Horde der Pendler, die zur Bakerloo Line weiterdrängten. Am liebsten hätte ich laut »Muuuuh!« gerufen. Ein kurzer Marsch zu einer kleinen Seitenstraße in der Nähe des Leicester Square brachte mich zu den neonbeleuchteten, mit Teppichfliesen ausgelegten Büroräumen von Knowles & Strauss, dem Reisebüro, in dem ich die oberste Stufe des Firmendschungels erreicht hatte. Ich war seit drei Jahren Chefbuchhalter. Es fühlte sich an wie zehn.
    Ich zog meine ID-Card durch und stieß die Tür zum Büro auf, bevor ich den fast kahlen Schotten mit den billigen Schuhen an der Rezeption begrüßte.
    Nachdem ich einige Rechnungen bezahlt, mir die neuesten Videos auf YouTube angesehen und mit diversen anderen Sachen meine Zeit vertrödelt hatte, setzte ich mich auf meinen Platz und nahm mir einige Verkaufsvorschläge vor, die meine Zustimmung brauchten. Jesus. Was für ein Haufen Mist. Ich dankte Gott, dass irgendein Klugscheißer diese Systemsoftware angeschafft hatte, die meinen Job zu einem Kinderspiel machte.

    Ich musste es nur schaffen, ein paar Stunden am Tag wach zu bleiben (außer in der Mittagspause). Nur ein Vollidiot könnte diesen Job vermasseln. Was nicht heißen soll, dass ich nicht darüber nachgedacht hätte. Die generelle Langeweile bei dieser Tätigkeit hätte auch die ehrgeizigsten und lernwilligsten Arbeitnehmer ins Koma versetzt.
    Aber ich war nicht lernwillig. Und ich war auch nicht mehr ehrgeizig, obwohl ich mich für diese Erkenntnis hasste. Während ich mich durch das aktuelle »Sandwich der Woche« bei Pret a Manger mampfte, meinen Wettschein für das Grand National abgab oder meine Sachen zusammenraffte, bevor ich durch die Tür stürmte, um in Waterloo den Zug um 5.56 Uhr zu erwischen, konnte ich es nicht länger leugnen. Ich war zu dem geworden, was ich immer vermeiden wollte: einem Schlangenmurmler, einem Bedienungsquengler, einem Rolltreppensteher. Wer hätte das jemals gedacht?
     
    Mein Gang vom Bahnhof nach Hause war normalerweise der glücklichste Moment des Tages. Die Vorboten des Sommers kündigten sich durch blühende Bäume, Kinderlachen und den Rauch von Es regnet nicht, dann können wir den Grill anzünden -Partys aus den Gärten an. Es war ein Freitag, was bedeutete, dass Amanda mit ein paar Freunden von der Arbeit ausgehen und ein paar Flaschen Chablis vernichten würde. Dann würde sie, voll wie eine Strandhaubitze, ins Schlafzimmer stolpern, mich aufwecken und Sex verlangen.
    Was okay für mich war. Auch wenn der Sex eher
Routine war, wir hatten immerhin welchen, was man von einigen meiner Freunde mit Kindern nicht sagen konnte. Als ich darüber nachdachte, sagte ich mir, dass es sicher besser sei, meine Kneipe für ein paar Nervenberuhiger aufzusuchen. Sex mit Betrunkenen ist nicht spaßig, wenn man selbst nüchtern ist, kann aber sehr spaßig sein, wenn man es nicht ist.
    »Hallo, Geoff«, sagte ich.
    »Ah, Willkommen, Lammkotelett«, antwortete Geoff, der Wirt, der die Gewohnheit hatte, Leuten Namen zu geben, die keinerlei Bezug zu deren Charakter oder Verhalten hatten. Diese Spitznamen wechselten so regelmäßig wie die Handtücher, die auf dem Tresen aufgestapelt auf die
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