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DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

Titel: DACKELKRIEG - Rouladen und Rap
Autoren: Ada Blitzkrieg
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Bosnienkrieg und den Völkermord in Ruanda - und
Onkel Scar
, den bösen Löwen, der
Simbas
Vater absichtlich in eine Schlucht fallen lässt, in der dieser dann von einer wütenden Herde
Fiat Multipla
überrollt wird. Dem kleinen Löwen redet der gemeine Onkel ein, die alleinige Schuld am Tod des Vaters zu tragen, weil dieser wegen ihm in den Abgrund gestürzt sei, und empfiehlt
Simba
fortzulaufen, aber nicht wie
Forrest Gump
oder ich bei Bäckereibesuchen, sondern noch viel weiter und für viel länger. Für immer.
    Ich war damals erst neun Jahre alt, als der Optimismus zwischen Weihnachtsplätzchen und gezeichneten Steppenbewohnern brach. Die Wolldecke konnte mich nicht mehr wärmen. Mein Vertrauen war einfach für immer hinüber. Ich kämpfte in dieser Nacht nicht mit den Tränen, die Tränen überrollten mich einfach kampflos. Mit dem Mund voller Heulwasser, einem dicken Flennkloß im Hals und laufender Triefnase schüttete ich mir ohne nachzudenken den Sekt aus der Flasche in mein Kinderglas, das in seinem vorherigen Leben einmal eine bedruckte Senfverpackung mit
Sendung mit der Maus
Motiv gewesen war und von den findigen Eltern der 90er Jahren gerne zu einem günstigen Kinderglas umfunktioniert wurde, und schüttete mir das Getränk schnell in den Rachen, von wo aus es rasch in meinen Kindermagen gelangte und den Weg in meinen jungen Blutkreislauf fand. Ich dachte in diesem Moment nicht an Alkohol, sondern ich hatte lediglich Durst und durch das Heulen schienen meine Geschmacks- und Geruchsnerven irgendwie zermatscht zu sein. Daher merkte ich nicht, dass ich mich gerade betrank, weil mich der
König der Löwen
so traurig gemacht hatte.
    Heute sitze ich an Heilig Abend oft alleine im menschenleeren Wohnzimmer meiner Eltern und genieße die Ruhe. Ich spüre dann den Kloß im Hals und das nervige Erwachsensein, mit seinen Depressionen, Ängsten, Ansprüchen und Enttäuschungen. Ich fühle was damals an diesem Abend mit
König der Löwen
begann und bis heute noch andauert. Der Kloß und der Krieg. In der Welt und in Menschen wie mir. Statt einer Lichterkette hängen heute echte Kerzen am Weihnachtsbaum, die ich in diesem Moment anzünde. Ich schaue in die kleinen Lichter und erkenne die Spiegelung meines Körpers in der Fensterscheibe hinter dem Baum. Das bin also ich. Rouladen und Rap. Die Tränen rollen über meine Wangen und es fühlt sich richtig an dort zu sein, wo man schon immer war. An diesem Abend und in dieser Nacht, wenn die innere Ambivalenz und die Aufgewühltheit der Seele plötzlich eine Konstante ergeben, dann wird Instabilität zur Sicherheit.
    Ich trinke warmen Sekt und höre auf dem alten Plattenspieler meines Vaters Musik. Ein paar Meter hinter der Wand schlafen meine Eltern und Berlin mit seinen ganzen Kotti-Pennern, dem Dönerdreck, den Spätis, der Taubenkacke, dem Hupen, der Aufregung, den Hipstern, den brennenden Mülltonnen, den traurigen Gesichtern, dem Druck, seinen Trends, Vorstädten, Stadtteilen, Häusern, Fenstern, Menschen und dem ganzen anderen Scheiß ist weit weg. Und es ist mir in dieser Nacht egal, ob es dort oder sonstwo vielleicht gerade schneit, und ob meine Wohnung auskühlt, weil ich vergessen habe die Heizung auf Frostschutz angeschaltet zu lassen, weil dieser Abend unendlich ist. Und ich möchte die ganze Nacht wach liegen, unter einem sternenlosen Himmel aus Selbstvorwürfen und Schmerz, den ich mir selbst aufgespannt habe, und die Quälereien und Enttäuschungen hinnehmen, weil es mir gut geht.

Danksagung
    Ich danke meinem Freund Johannes von ganzem Herzen, weil er mir jeden einzelnen Tag mit so viel Begeisterung zeigt, dass die Welt gar nicht so ist wie
Onkel Scar
- oder eben manchmal doch - immer wie wir uns gerade fühlen, denn wir sind jetzt „wir“.
    Ein großes Dankeschön möchte ich an meine Mama, meinen Papa und meinen Bruder Max für ihre Liebe, ihre Unterstützung und ihren großartigen Humor aussprechen, der unsere Familie immer fest verbindet.
    Meinem lieben Nitti danke ich für die schönen gemeinsamen Jahre voller Glück und meiner Oma Hanna für Feminismus und Mut. Peppi möchte ich für ihre einmalige Person danken, die mich immer wieder dazu inspiriert Grenzen auszutesten und die Freude nicht zu verlieren. Ich danke außerdem Asta, Friedrich und Mareen für ihre wunderbare und bereichernde Freundschaft, die mir viel bedeutet.
    Vielen Dank an Simon Diefenbach, Gesine Reinicke, Franz Thues, Camilla Ullmann und Julia Willich, die mir geholfen haben
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