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DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

DACKELKRIEG - Rouladen und Rap

Titel: DACKELKRIEG - Rouladen und Rap
Autoren: Ada Blitzkrieg
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aufgespürt, der ihr Ohrringe mit pfiffigem Schraubverschluss anfertigte, die sie dann einfach an den fleischigen Ohrläppchen fest drehen konnte, ohne ein blutiges Hängenbleiben zu riskieren. Zuerst kaufte Mutter die Ohrringe nur, aber dann begann sie sich aus diversen Fundstücken und allerhand getrockneten Lebensmitteln selbst Ohrschmuck herzustellen. Sie bastelte sich emsig Ohrringe aus allem, was zwischen zwei und sechs Zentimeter groß war, glitzerte und aus Gold, Plastik, Holz, Wolle oder Stahl bestand. Ich lernte anhand ihrer Ohrringe sprechen. „Ada, was ist das?“ Mutter zeigte auf ihr dickes Ohr, an dem ein bunter Holzpapagei baumelte, den ihre hübsche Kurzhaarfrisur nur halb verdeckte. „Vogel! Ein Vöglein!“ „Ja, Vogel. Toll machst du das, Schatz!“ „Und das hier?“ Sie zeigte auf ihr anderes Ohr. „Der Todesstern!“ „Genau, suuuuper!“
    Dort an der Pinnwand hing an hunderten Stecknadeln mit bunten Köpfen die gesamte Sammlung ihrer über die Jahre angehäuften Fake-Schmuckstücke. Ihr ganzer Stolz. Die Pinnwand war aus echtem Naturkork und lud beim gedankenlosen Telefonieren winkend, mit einem willigen Begrüßungscocktail aus gut pulbarem Material, immerzu dazu ein, mit den spitzen Stecknadeln in ihr zu stochern oder mit Kulli beim Sprechen ordinäre Wörter darauf zu schmieren. Aber Mutter mochte das nicht. Weder das Eine, noch das Andere. Ich hingegen hatte ADHS und war sowieso ein gedankenloses Kind ohne guten Charakter. Daher wurde ich ständig dabei erwischt "an der Pinnwand rumzumachen". Ich mochte das nämlich ganz gerne mit der Pulerei und den Kraftausdrücken in der feinen Eingangshalle. Nicht weil ich es wollte, sondern weil es mir beim Telefonieren einfach so passierte. Einen ähnlichen Effekt kann man bei Männern beobachten, die sich beim Telefonieren ständig an die Genitalien fassen. Niemand versteht wirklich wieso sie es tun, aber es passiert und man müsste ihnen erst die Arme oder eben die Genitalien abtrennen, oder präventiv sogar Beides, um diesen Automatismus vollständig zum Erliegen zu bringen. Man hätte also die Pinnwand auch einfach woanders aufhängen können, denke ich mir heute, aber in unserer Familie war kein Raum für Veränderungen oder Innovation. Wir fürchteten alle den Fortschritt, schließlich hatten wir es wunderschön in diesem Haus und uns doch alle sehr lieb.
    Auch heute liegen alle Teppiche in meinem Elternhaus noch an dem selben Ort, an dem sie auch in meiner Kindheit platziert waren. Und die Pinnwand? Nun ja, die ist inzwischen kommentarlos ersetzt worden, weil Mutter zwar im Allgemeinen mit den Konsequenzen meiner Konzentrationsprobleme leben konnte, aber eben nicht optisch. Ich war der morsche Pfeiler der Stabilität
    Mein Bruder und ich standen in unserer Geisterjägermontur vor der Pinnwand und saugten ein paar der obskuren Ohrringe ein, bis wir eine neue und noch viel bessere Idee bekamen, die ich bis heute sehr bereue: „Lass uns in den Keller gehen und Spinnen jagen!“
    Grandios! Mein großer Bruder hatte immer wahnsinnig tolle Ideen und ich war als Kind schnell zu begeistern. Ein teuflisches Paar in zweistreifigen Trainingsanzügen mit undurchdachten Ideen und einem fehlenden Gefühl für Konsequenzen? In Kombination mit einem großen dunklen Keller und Spinnen? Das konnte nur gut ausgehen! Aber wir waren unerschrocken und stiegen die Treppe tausendsassaesk herab. Ich zwinkerte meinem Bruder zu. Hier unten gab es einen muffigen Kartoffelkeller, einen alten Weinkeller, den Heizungskeller, in dem ohne Pause die alte Ölheizung schrie und einen Trockenraum, der Mutter vorrangig dazu diente, im Winter Wäsche aufzuhängen und um dem üblichen Schimmelbefall alter Häuser eine Heimat zu bieten, die zwar innerhalb des Hauses, aber immer noch weit genug entfernt von den trockenen und hübschen Wohnräumen lag. Als Bonus für unsere Geisterjagd gab es noch diverse Flure, eine alte Sauna, in der sich Weihnachtsschmuck und Schlittschuhe in allen Größen befanden und tausend fiese Ecken, in denen Spinnen hausten, die ich zu diesem Zeitpunkt zwar nicht unbedingt mochte, aber dennoch nicht fürchtete. Wir waren ahnungslose und unerschrockene Kinder und doch sollte das, was schon bald folgen würde, unser Leben für immer verändern.
    Es gibt zwei Arten von Spinnen: Es gibt Spinnen und es gibt dicke schwarze Spinnen. Wir hatten es im Rahmen unserer Geisterjagd auf die dicken Schwarzen abgesehen, weil diese, so stellte sich nach einigen
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