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Dackelblick

Dackelblick

Titel: Dackelblick
Autoren: Frauke Scheunemann
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den Käfig und streichelt mich.
    »Och, du Armer, was hast du denn? Bist du traurig?«
    Wie peinlich. Ein Eschersbach weint doch nicht. Und dann noch vor einer so schönen Frau. Himmel, wo soll das noch enden? Aber offensichtlich war das genau das Richtige, denn jetzt richtet sich der Engel auf, zeigt auf mich und sagt: »Den will ich haben. Auf alle Fälle. Kann ich ihn gleich mitnehmen?«
    Die Latzhose nickt. »Kommen Sie mit rein, dann erledigen wir die Formalitäten. Alle Impfungen hat er schon, er kommt von einem sehr gewissenhaften Züchter. Kleiner Betriebsunfall gewissermaßen.«
    Bei den letzten Worten kichert sie. Und dafür würde ich sie sehr gerne in die Hand zwicken. Lasse es aber. Sonst muss ich nachher doch hierbleiben.
     
    Zwanzig Minuten später sitze ich sicher in der Box verstaut auf dem Rücksitz von Carolins Auto. Carolin - so heißt mein Engel. Habe ich bei der Verabschiedung mitgekriegt. Carolin. Ein schöner Name. Sehr edel. Wahrscheinlich - ach was - ganz sicher ist Carolin aus noblem Hause. So etwas merkt ein Hund wie ich einfach. Carolin jedenfalls ist gut gelaunt. Sie pfeift ein Lied und schaut ab und zu in den Rückspiegel, um nach mir zu sehen.
    »So, mein Süßer, jetzt lernst du gleich dein neues Zuhause kennen. Ich bin sehr gespannt, wie es dir gefällt.«
    Und ich erst! Ob es wohl so schön ist wie auf Schloss Eschersbach? Mit einem großen Park? Und vielen Kaninchenbauten? Das Auto wird langsamer, schließlich hält es an. Carolin öffnet die Tür und hebt die Box heraus. Jetzt habe ich den Geruch von Erdbeeren und Minze direkt vor der Nase und würde Carolin am liebsten von oben bis unten abschlecken. Aber noch muss ich mich gedulden, aus der schaukelnden Box herauszukommen.
    Um mich herum wird es dunkler, und es schaukelt noch stärker: Carolin trägt mich eine Treppe hinauf. Ich versuche, mit meiner Nase durch das Gitter der Box einen ersten Eindruck von meinem neuen Domizil zu erschnüffeln. Auf alle Fälle scheint es ein Ort zu sein, an dem verschiedene Menschen leben. Und verschiedene Tiere. Auf Anhieb kann ich mindestens eine Katze ausmachen.
    Jetzt stellt Carolin die Box ab, und ich höre, wie sie eine Tür aufschließt. Sie schiebt die Box mit dem Fuß ein Stück weiter. Dann nestelt sie am Deckel herum, öffnet ihn und hebt mich vorsichtig heraus.
    »Et voilà! Hier wirst du von nun an wohnen. Schau dich ruhig um, kleiner Mann.«
    Im ersten Moment sehe ich gar nichts - so hell ist es hier. Ich blinzele vorsichtig und versuche, mich an das Licht zu gewöhnen. Schemenhaft erkenne ich langsam, dass wir wohl in einem menschlichen Wohnzimmer stehen. Vor dem Fenster steht eine große Couch, die so aussieht, als könnte ein kleiner Dackel dort sehr bequem ein Nickerchen halten. Ob das bei Carolin wohl erlaubt ist? Im Schloss jedenfalls war es streng verboten. Was natürlich dazu führte, dass meine Schwester und ich nichts lieber taten, als auf das Sofa im Salon zu hopsen. Schon allein, weil es urkomisch war, wenn der alte Schlossherr trotz seines Gehstocks wie ein geölter Blitz auf uns zuschoss und wild mit ebenjenem Stock herumfuchtelte, um uns zu verscheuchen.
    Ich trabe zum Sofa und schnuppere am Bezug. Hm, auch Erdbeeren und Minze. Aber noch irgendetwas anderes. Kein Tier. Eher noch ein Mensch. Tief tauche ich in den Geruch ein. Hm, habe ich nicht nur ein neues Frauchen, sondern auch noch ein Herrchen? Ein Frauengeruch ist das jedenfalls nicht. Während ich noch überlege, hebt mich Carolin hoch und setzt mich - ja! ja! ja! - auf das Sofa, sich selbst gleich daneben. Begeistert schlecke ich ihre Hände ab - diese Frau weiß ganz offensichtlich, was Dackel lieben. Sie lacht und zieht ihre Hände weg. Dann sieht sie mich nachdenklich an.
    »So, mein Kleiner: Ich habe alles für dich besorgt: Körbchen, Leine, Fressnapf, Futter. Dann fehlt nur noch eins ...« Ich schüttle den Kopf, für meinen Geschmack klang das ziemlich vollständig. »Du brauchst noch einen schönen Namen.«
    Ich quieke überrascht - einen schönen Namen habe ich doch schon! Oder hat mich von Eschersbach einfach so im Tierheim abgestellt? Ohne noch ein paar Sachen über mich zu erzählen? So eine Herzlosigkeit!
    Offenbar merkt Carolin meine Empörung, sie hebt mich auf ihren Schoß, dann gucken wir uns in die Augen.
    »Hm, also, wie könnte so ein Kerlchen wie du wohl heißen? Wonach siehst du denn aus?«
    Ich versuche, mich möglichst wirkungsvoll in die Brust zu werfen und sehr würdevoll auszusehen.
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