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Dackelblick

Dackelblick

Titel: Dackelblick
Autoren: Frauke Scheunemann
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Unglaublich.
    »Sag mal, wie heißt du eigentlich?«, will Fritz wissen.
    »Carl-Leopold«, antworte ich knapp.
    »Carl-Leopold? Komischer Name für einen Hund.«
    »Finde ich nicht. Kommt eben ganz darauf an, aus welchem Stall man kommt.« Banause! Was weiß der schon von schönen Namen? »Ich bin ein von Eschersbach«, füge ich stolz hinzu.
    »Von Eschersbach? Sagt mir nichts«, brummt Fritz nur und wedelt weiter.
    Ich seufze. Wirklich ein Banause. Ein netter zwar, aber eben doch ein Banause. Gerade will ich anfangen, Fritz in die Grundzüge meiner Familiengeschichte einzuweihen, da klappt im Haus neben unserem Zwinger eine Tür. Augenblicklich bin ich wie elektrisiert. Nicht wegen des Geräuschs - schließlich herrscht in dieser Einrichtung ein Lärmpegel, dass einem Dackel eigentlich die zarten Öhrchen abfallen müssten. Nein, es ist vielmehr ein ganz unbeschreiblicher Geruch, der geradewegs auf meine Nase zuströmt. Auch Fritz scheint Witterung aufgenommen zu haben, denn er stellt sein blödsinniges Gewedel ein und presst stattdessen seine Schnauze durch die Gitterstäbe.
    »Riechst du das auch?«, will ich von ihm wissen. Er nickt. »Toll, oder?«
    »Ja, Wahnsinn!«, gibt er mir Recht.
    »Das ist der schönste Geruch, den ich an einem Menschen je wahrgenommen habe«, stelle ich fest.
    Dass dieser Geruch zu einem Menschen gehört, ist klar. Das riecht jeder Hund sofort. Aber was für ein Mensch ist das wohl, der so gut riecht? Nicht etwa profan gut wie Fleischwurst oder Schokokeks. Nein, eher wie ... ich grüble nach ... genau - wie ein schöner Sommertag. Ein glücklicher Sommertag. Ganz viel nach Blumen, ein bisschen nach Erdbeeren und ein Hauch Pfefferminz. Fantastisch.
    »Wahrscheinlich sind wir gleich enttäuscht, wenn wir den Menschen sehen. Die blödesten Menschen riechen immer am besten«, meint Fritz fachmännisch.
    »Echt?«, will ich wissen. »Da habe ich ehrlicherweise noch keinen Zusammenhang festgestellt. Das kann ich nicht beurteilen.«
    »Doch, doch. Jede Wette.«
    Gespannt blicken wir Richtung Tür. Und da kommt sie auch schon zu den Zwingern, gefolgt von der Latzhose. Fritz lag völlig daneben. Denn für einen Menschen ist sie wunderschön, wie ein Engel. Sie unterhält sich mit der anderen Frau und lacht dabei. Ihre Augen lachen mit - was besonders schön aussieht und bei den Menschen ziemlich selten ist. Meistens verziehen die beim Lachen nur den Mund. Was schade ist. Also, wenn ich lachen könnte, ich würde die Augen mitmachen lassen. Sieht eindeutig besser aus.
    »Hm, also ein etwas kleinerer Hund soll es sein? Und gerne ein jüngerer?« Der Engel nickt.
    Fritz lässt sofort die Ohren hängen. Er weiß, was das bedeutet: wieder kein Frauchen für ihn. Denn Münsterländer sind alles andere als klein - und ein junger Hund ist Fritz schon lange nicht mehr. Er senkt den Kopf. »Viel Glück!«, flüstert er mir noch zu, dann trottet er an mir vorbei. Natürlich tut er mir leid - aber vielleicht ist das wirklich meine Chance? Ich versuche es noch mal mit der Fritz'schen Taktik, wedele also aufgeregt mit dem Schwanz und versuche, möglichst freundlich zu bellen. Tatsächlich steuern die beiden Frauen jetzt direkt auf mich zu.
    »Das hier ist zum Beispiel unser Junior. Haben wir gerade erst bekommen. Ungefähr ein halbes Jahr alt.«
    Sie streckt ihre Hand durch das Gitter, ich schlecke sie gleich ab. Na, wenn das jetzt keinen guten Eindruck macht, weiß ich auch nicht. Der Engel beugt sich zu mir herunter.
    »Na, was bist du denn für ein Süßer? So ein niedlicher Kerl!« Begeistert springe ich auf und ab.
    »Ja, echt ein Hübscher. Ein Dackelmix.«
    Autsch. Mix. Verdammt. Das tat weh. Ich höre augenblicklich auf, den begeisterten Hund zu mimen. Nicht, dass es nicht stimmen würde. Im Gegenteil. Fräulein Latzhose hat Recht. Und damit bringt sie meine Schmach auf den Punkt: Ich bin ein Mischling. Das Ergebnis von Mamas Affäre mit einem sehr schneidigen Terrierrüden. Genau deswegen bin ich hier. Denn ich bin zwar Carl-Leopold von Eschersbach. Aber ein reinrassiger Dackel mit den besten Papieren - das bin ich nicht. Für die Jagd gänzlich ungeeignet. Und für die Zucht sowieso. So hat es der alte Schlossherr Eschersbach gesagt, bevor er mich in einen Karton setzte und mich hierherfuhr. Emilia hat geweint, aber sie hatte ja schon meine Schwester genommen, und zwei Hunde waren ihr natürlich zu viel.
    Offenbar habe ich angefangen zu winseln, denn jetzt streckt auch der Engel seine Hand durch
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