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CyberCrime

CyberCrime

Titel: CyberCrime
Autoren: M Glenny
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gibt es in vielen Spielarten. Manchmal beginnt er mit dem Appell an reiche Bürger westlicher Staaten, einem armen afrikanischen Kind zu helfen. Insbesondere Amerikaner werden mit Briefen, Faxen und E-Mails um Geld gebeten, mit dem eine neue Kirche errichtet oder eine Gemeinde unterstützt werden soll – in solchen Fällen haben die Opfer wohlmeinende, karitative Absichten. Eine weitere lukrative Beute der 419-Betrüger sind unglücklich verliebte Menschen, insbesondere Witwen und geschiedene Frauen mittleren Alters: Sie bauen eine virtuelle Beziehung zu westafrikanischen Strichjungen auf, die ihnen dann als Vorschuss auf ein sexuelles Abenteuer, das in Wirklichkeit niemals stattfindet, ihre Ersparnisse abknöpfen.
    Heute gehen 419-Betrügereien sowohl in chinesischer als auch in englischer Sprache von China aus. Sie bilden die Ergänzung zu einer zweiten Spezialität chinesischer Hacker, dem Diebstahl von Gegenständen aus MMORPG ; diese seltsame Abkürzung steht für die ebenso seltsam benannten Massively Multiple Online Role-Playing Games (Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiele) wie World of Warcraft oder »Real-Life-Spiele« wie Second Life oder Habbo Hotel. In all diesen Spielen gibt es eine digitale Währung, die man in echtes Geld eintauschen kann. Das wiederum stattet virtuelle Waren und Dienstleistungen mit einem Wert aus, die der Spieler kaufen kann, wodurch sich sein Spielvergnügen steigert. Chinesische Hacker – und nicht nur sie – haben gelernt, diese digitalen Gegenstände oder Geldbeträge zu »stehlen«, um sie anschließend in Geld aus der realen Welt einzutauschen. Die ungeheure Computerkapazität Chinas ist derzeit noch weitgehend unberührt, sie steht aber den Einschätzungen zufolge in den meisten Bereichen, die mit der zivilen und militärischen Computersicherheit zu tun haben, in der globalen Rangordnung bereits an zweiter Stelle hinter den Vereinigten Staaten. Wenn China beginnt, dieses Potenzial einzusetzen, wird sich das Wesen des gesamten Internet verändern.
    Zur Bekämpfung der wachsenden Gefahren investieren Regierungen und Industrie mittlerweile Hunderte von Milliarden in die Cybersicherheit, sei es bei der Polizei, beim Schutz geistigen Eigentums oder im militärischen Bereich. Nahezu die gesamten Mittel fließen in technische Maßnahmen; dahinter steht der Gedanke, dies werde ausreichen, um das Internet vor allen Schadprogrammen, Malware und Viren zu schützen, die sich im Cyberspace herumtreiben und nach ungeschützten Computernetzwerken suchen, um sie anzugreifen.
    Dagegen wird nahezu nichts in die Untersuchung der Frage investiert, wer hackt und warum. Niemand differenziert zwischen den Hackern von WikiLeaks, dem amerikanischen oder chinesischen Militär, kriminellen Syndikaten und denen, die einfach nur neugierig sind.
    Aber Hacker sind eine seltene, ganz besondere Spezies. Insgesamt betrachtet, unterscheiden sie sich in ihrem psychologischen und sozialen Profil von traditionellen Verbrechern. Das gilt vor allem für jene, die erpicht darauf sind, im Web kriminelle Geschäftsgelegenheiten zu erschließen, ohne sich selbst aber sonderlich für Geld zu interessieren – mit anderen Worten: die Computerfreaks. Zu verstehen, über welche Fähigkeiten sie verfügen und aus welchen Motiven sie sich mit ganz bestimmten kriminellen oder anderen Tätigkeiten beschäftigen, wäre für eine Sicherheitsbranche, die übermäßig von technischen Lösungen abhängig ist, von enormem Nutzen. In den seltenen Fällen, in denen Behörden oder Privatwirtschaft die Hacker ausfindig machen – was zu ihrer Strafverfolgung und Verurteilung führt –, wird kaum etwas dafür getan, um die Übeltäter zu verstehen. Die Strafjustiz Europas und der Vereinigten Staaten bemüht sich vielmehr darum, sie zu langjährigen Gefängnisstrafen zu verurteilen und danach ihren Zugang zu Computern einzuschränken.
    Angesichts ihres ganz besonderen psychologisch-soziologischen Profils ist das ein großer Fehler. Zunächst einmal sollte man das Alter in Betracht ziehen: Die meisten Hacker nehmen in sehr jungen Jahren eine Tätigkeit auf, die man wohl am besten als juristisch fragwürdig bezeichnen kann. Wie Detlef Hartmann lassen sie sich unter Umständen zu illegalen Aktivitäten verführen, bevor ihr moralischer Kompass ausreichend entwickelt ist und bevor sie die Folgen ihres Handelns in vollem Umfang begreifen.
    Im realen Leben sind Hacker oftmals seelisch verletzlich. Sie zusammen mit echten Kriminellen
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