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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition)
Autoren: Ian McDonald
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immer und verfehlt nie ihr Ziel.
    Der Gestank nach Bradford Tikka-Pasta zerrt nachdrücklich an Mr. Nandhas Eingeweiden. Wie kann dieser Unrat, diese Umweltverschmutzung die ganz große Sache sein? Einer der großen industriellen Kochtöpfe aus rostfreiem Stahl ist umgekippt und hat seinen Inhalt über den Boden ergossen. Hier liegt die zweite Leiche. Ihre obere Hälfte ist in Tikka-Pasta ertränkt. Mr. Nandha riecht gekochtes Fleisch und zückt sein Taschentuch, um es sich über den Mund zu legen. Er bemerkt die gute Hose der Leiche, die gepflegten Schuhe, das gepresste Hemd. Also dürfte es der IT-Wallah sein. Nach Mr. Nandhas Erfahrung verhalten sich Kaihs wie Hunde und wenden sich zuerst gegen ihre Herrchen.
    Er winkt Sen und Sunder heran. Der Landpolizist macht einen nervösen Eindruck, doch die Jemadar hebt entschlossen ihr Sturmgewehr.
    »Kann sie uns hören?«, fragt Jemadar Sen, während sie sich langsam im Kreis dreht.
    »Unwahrscheinlich. Kaihs der Stufe eins verfügen selten über Sprachvermögen. Wir haben es hier mit etwas zu tun, das ungefähr die Intelligenz eines Affen besitzt.«
    »Und das Verhalten eines Tigers«, fügt Sergeant Sunder hinzu.
    Mr. Nandha ruft Shiva aus den räumlichen Dimensionen der Lebensmittelfabrik ab und bewegt seine Hände zu einer Mudra, worauf die Fabrikhalle in einem leuchtenden Nervensystem der Informationsleitungen zum Leben erwacht. Shiva benötigt nur einen kurzen Moment, um sich Zugang zum Intranet der Fabrik zu verschaffen und den Server ausfindig zu machen, einen kleinen, unscheinbaren Würfel in einer Ecke eines Schreibtischs. Dann schleicht er sich durch die Firewall in das Fabriknetz ein. Mr. Nandha sieht im geistigen Augenwinkel verschwommene Datenverzeichnisse vorbeiziehen. Da. Passwortgeschützt. Er ruft Ganesha. Der Beseitiger von Hindernissen trifft sogleich auf einen Quantenschlüssel. Mr. Nandha ist verärgert. Er schickt Ganesha fort und holt Krishna. Hinter dieser Quantenmauer könnte sich ein Djinn verbergen. Genauso gut könnten es dreitausend Bilder von chinesischen Mädchen sein, die Sex mit Schweinen haben. Mr. Nandhas größte Sorge ist, dass sich die illegale Kaih reproduziert hat. Eine Mailsendung, und es wird Wochen dauern, um alles aufzuspüren. Krishna meldet, dass das Log für die Kommunikation nach außen sauber ist. Also ist sie noch irgendwo im Gebäude. Mr. Nandha schaltet das drahtlose Netz ab, zieht die Stecker des Servers und klemmt ihn sich unter den Arm. Seine Leute im Ministerium werden die Geheimnisse des Kastens knacken.
    Er hält inne und schnuppert. Ist der Tikka-Pasta-Gestank stärker geworden, schärfer? Mr. Nandha hustet. Etwas hat sich an seinem Gaumen festgesetzt, angebranntes Chili. Er sieht, wie Sen schnieft und die Stirn runzelt. Er hört das Summen einer schweren elektrischen Entladung.
    »Alle raus!«, ruft er, und in diesem Moment setzt sich der Kettenantrieb des Rolltors ruckend in Bewegung, während gleichzeitig aus dem Kessel Nummer zwei erstickender schwarzer Chilirauch hervorquillt. »Schnell, schnell!«, befiehlt er und blinzelt ätzende Tränen weg, das Taschentuch vor den Mund gepresst. »Raus raus!« Er folgt den anderen, die unter dem sich herabsenkenden Tor nach draußen stürmen. Es wird knapp, nur wenige Millimeter. In der Gasse klopft er sich verärgert den Straßendreck von seinem gebügelten Anzug.
    »Das ist höchst unerfreulich«, sagt Mr. Nandha. Er wendet sich an die Tikka-Pasta-Arbeiter. »Sie da! Gibt es einen anderen Weg hinein?«
    »Auf der anderen Seite, Sahb«, antwortet ein Jugendlicher mit einem Hautleiden, das Mr. Nandha nicht in der Nähe von menschlichen Nahrungsmitteln sehen möchte.
    »Wir dürfen keine Zeit verlieren«, sagt er und hebt seine Waffe. »Vielleicht hat sie die Ablenkung bereits zur Flucht genutzt. Folgen Sie mir, bitte.«
    »Ich werde nicht noch einmal hineingehen«, sagt Sunder, die Hände an die Oberschenkel gelegt. Er ist ein Mann mittleren Alters und hat an den Hüften etwas Speck angesetzt. Angelegenheiten dieser Art werden nirgendwo in den Dienstvorschriften der Polizei von Nawada erwähnt. »Ich bin kein abergläubischer Mensch, aber wenn das da drin kein Djinn ist, weiß ich nicht, was es sonst sein soll.«
    »Es gibt keine Djinns«, sagt Mr. Nandha. Sen schließt sich ihm an. Ihr Tarnanzug hat exakt die Färbung von Tikka-Pasta angenommen. Sie bedecken ihre Gesichter, zwängen sich durch die stinkende Seitengasse, die mit Zigarettenstummeln gepflastert ist, und
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