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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition)
Autoren: Ian McDonald
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Wassertanks, Sonnenkollektoren, Satellitenschüsseln und Topfreihen mit Geranien zeichnen sich als Silhouetten vor einem matten, trüben Himmel ab. Parvati schiebt sich eine Haarsträhne hinters Ohr und blinzelt in die Bindi-Cam.
    »Ist alles in Ordnung?«
    »Alles bestens. Ich werde in zehn Minuten eintreffen. Ich wollte dich nur anrufen.«
    Sie lächelt. Mr. Nandha zerfließt das Herz.
    »Danke, das ist sehr nett von dir. Machst du dir Sorgen?«
    »Nein, es ist eine routinemäßige Exkommunikation. Wir wollen es im Ansatz ersticken, bevor sich Panik ausbreiten kann.«
    Parvati nickt und saugt die Unterlippe ein, wie sie es immer tut, wenn sie über ein Problem nachdenkt.
    »Was wirst du heute tun?«, fragt er.
    »Also ...«, beginnt sie und deutet mit einer Körperdrehung auf den werdenden Garten. »Ich hatte eine Idee. Bitte sei mir nicht böse, aber ich glaube nicht, dass wir so viele Sträucher brauchen. Ich hätte gern ein paar Gemüsepflanzen. Ein paar Reihen Bohnen, Tomaten und Paprika ... sie bieten sehr viel Sichtschutz. Vielleicht sogar etwas Bhindi und Brinjal. Und Kräuter. Ich würde sehr gern Kräuter anbauen, Tulsi und Koriander und Hing.«
    Mr. Nandha lächelt auf seinem reservierten Sitz in der ersten Klasse.
    »Ein richtige kleine urbane Bäuerin.«
    »Ach, nichts, wofür du dich schämen müsstest. Nur ein paar Pflanzreihen, bis wir ins Quartier umziehen und einen Bungalow bekommen. Ich könnte diesen Salat anpflanzen, den du brauchst. Damit würden wir Geld sparen. Er wird aus Europa und Australien eingeflogen – ich habe es auf dem Etikett gelesen. Wäre das in Ordnung?«
    »Wenn du es wünschst, meine Blüte.«
    Parvati faltet die Hände in leisem Entzücken.
    »Oh, gut. Es war ein bisschen dreist von mir, aber ich habe bereits mit Krishan abgemacht, dass wir zum Saathändler gehen.«
    Mr. Nandha fragt sich oft, was er getan hat, als er seine reizende Frau in die Halsabschneider-Gesellschaft von Varanasi brachte – ein Mädchen vom Lande unter Kobras. Die Spiele unter den Bewohnern des Quartiers – seine Kollegen, seine Freunde und Bekannten – widern ihn an. Überall Geflüster, Blicke und Gerüchte, stets freundlich und anständig, aber gleichzeitig wachsam, abwägend, vorsichtig. Tugenden und Laster in einem empfindlichen Gleichge wicht. Für Männer ist es einfach. Heirate, so gut du kannst – falls du kannst. Mr. Nandha hat innerhalb seiner Jati geheiratet – besser als Arora, sein Vorgesetzter im Ministerium, besser als die meisten seiner Zeitgenossen. Eine gute solide Kayastha-Kayastha-Heirat, aber die alten Zwänge scheinen im neuen Ranapur keine Rolle mehr zu spielen. Die Frau von Nandha? Hört euch nur ihren Akzent an! Schaut euch nur ihre Hände an! Die Farben, die sie trägt, und die Schnitte. Sie kann nicht sprechen, müsst ihr wissen. Kein einziges Wort. Hat nichts zu sagen. Sie öffnet den Mund, und eine Fliege kommt herausgesummt. Stadt und Land, sage ich nur. Stadt und Land. Stellt sich immer noch auf die Toilettenschüssel und hockt sich hin.
    Mr. Nandha bemerkt, dass er vor Wut die Fäuste geballt hat, als er daran denkt, dass Parvati in diese schrecklichen Spiele verstrickt werden könnte – mein Ehemann, meine Kinder, mein Haus. Sie braucht den Bungalow im Quartier nicht oder die zwei Autos und fünf Diener und das Designerbaby. Wie jede moderne Braut hat Parvati ihre finanziellen und genetischen Überprüfungen hinter sich, aber ihre Beziehung war stets von Liebe und Respekt geprägt, nicht vom verzweifelten Griff nach dem ersten verfügbaren Heiratsmaterial auf dem darwinistischen Ehemarkt von Varanasi. Früher erhielt die Braut eine Mitgift. Der Mann war der Gesegnete, das Geschenk. Das war immer das Problem gewesen. Nach einem Vierteljahrhundert der embryonalen Auslese, in diskreten Vorstadtkliniken oder altmodisch mit einer Autoantenne auf einem Hinterhof in Kashi, übertrifft die städtische männliche Bevölkerung der Mittelklasse von Bharat die weibliche um das Vierfache.
    Mr. Nandha spürt, wie sich die Fahrtgeschwindigkeit leicht verändert. Der Zug wird langsamer.
    »Meine Liebe, ich muss jetzt gehen. Wir fahren in Nawada ein.«
    »Du wirst doch nicht in Gefahr geraten, oder?«, fragt Parvati mit besorgt aufgerissenen Augen.
    »Nein, ganz bestimmt nicht. Solche Aufträge habe ich schon dutzendmal erledigt.
    »Ich liebe dich, mein Gatte.«
    »Ich liebe dich, mein Schatz.«
    Mr. Nandhas Ehefrau verschwindet aus seinem Kopf. Ich werde es für dich tun, denkt
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