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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition)
Autoren: Ian McDonald
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Zugang zu sämtlichen Firmen in diesem Industriegebiet haben. Die Maschine bäumt sich auf, stürmt auf Mr. Nandha zu, dreht sich und eilt im chaotischen Zickzack unter dem Brückenkran in Sens Richtung. Das Ding weiß nur, dass diese Geschöpfe es töten wollen und dass es weiterexistieren will. Sen gerät in Panik, sie schießt wild um sich und verliert jede militärische Vernunft, als das Ding auf sie zuspringt. Sie hantiert mit ihrem Sturmgewehr. Mr. Nandha erkennt mit absoluter, ruhiger Klarheit, das ihre Panik ihn töten wird.
    »Nein!«, ruft er und zieht seine Waffe. Indra zielt und feuert. Der Puls überlädt für einen kurzen Moment sogar seinen Hoek. Die Welt vergeht in einem blendend weißen Blitz. Der Roboter erstarrt, verkrampft sich und sackt funkensprühend in sich zusammen. Die Beine zucken, die Augenstiele werden ausgefahren. Dann rührt er sich nicht mehr. Rauch steigt von seinen Lüftungsschlitzen auf. Doch Mr. Nandha ist noch nicht zufrieden. Er tritt zur toten Kaih, kniet nieder und schließt die Avatarbox an die Hotwire-Buchse an. Ganesha verbindet sich mit dem Betriebssystem, Kali hält sich mit erhobenen Säbeln bereit.
    Sie ist tot. Exkommuniziert. Mr. Nandha erhebt sich und klopft sich den Staub von der Kleidung. Er steckt die Waffe ein. Schwieriger Fall. Unbefriedigend. Offene Fragen. Viele werden eine Antwort finden, wenn die Gang vom fünfzehnten Stock den Server öffnet. Aber ohne ein besonderes Gespür wird man kein Krishna Cop, und Mr. Nandha erkennt, dass dieses Gewirr aus Metall und Plastik nur der Anfangsbuchstabe einer neuen und langen Geschichte ist. Er wird diese Geschichte in ganzer Länge hören, er wird ihre Einzelheiten entwirren, alle Akteure und Ereignisse in Erfahrung bringen und sie zu einem befriedigenden Abschluss bringen. Doch in diesem Moment besteht sein vordringliches Problem darin, wie er den Gestank der verbrannten Tikka-Pasta aus seinem Anzug bekommt.

3 Shaheen Badoor Khan
    Shaheen Badoor Khan blickt auf das antarktische Eis hinab. Aus zweitausend Metern Höhe ist es eher Geographie als Eis, eine weiße Insel, ein abgedriftetes Sri Lanka. Die angemieteten Hochseeschlepper aus dem Golf sind die größten, stärksten und neuesten, aber sie sehen aus wie Spinnen, die sich mit einem Zirkuszelt abmühen, an dem sie mit Zeltleinen aus Seide zerren. Nun beschränkt sich ihre Rolle auf die Überwachung, denn der Südwestmonsunstrom hat den Eisberg im Griff, und die ganze Angelegenheit bewegt sich mit fünf nautischen Meilen pro Tag in Richtung Nordnordost. Hier draußen auf dem Ozean, fünfhundert Kilometer südlich des Deltas, sind die einzigen visuellen Bezugspunkte das Eis, der Himmel und das Dunkelblau des tiefen Wassers – nichts, das einen Eindruck von Bewegung vermittelt. Wie lange und wie kräftig müssten diese Schlepper ziehen, um alles zum Stillstand zu bringen? Shaheen Badoor Khan denkt nach. Er stellt sich den Eisberg vor, wie er tief in den Gangasagar gedrückt wird, die Mündung des heiligen Flusses, wie blanke Eisklippen über den Mangroven aufragen.
    Mit einer Passagierliste aus bengalischen Politikern und ihren diplomatischen Gästen aus dem benachbarten, einstigen Rivalen Bharat schlingert der Senkrechtstarter der States of Bengal im kühlen Mikroklima, das von der Eisscholle aufsteigt. Shaheen Badoor Khan bemerkt, dass die Oberfläche von Gletscherspalten und Schluchten zerfurcht ist. Sturzbäche glitzern. Schmelzwasser hat tiefe Canyons in die Eiswände gegraben, spektakuläre Wasserfälle ergießen sich von den Flanken des Eisbergs.
    »Hier ist eine ständige Verschiebung im Gange«, sagt der dynamische Bangla-Klimatologe auf der anderen Seite des Mittelgangs. »Während der Eisberg an Masse verliert, verlagert sich der Schwerpunkt. Wir müssen das Gleichgewicht aufrechterhalten. Eine plötzliche Verlagerung könnte sich auf die unmittelbare Umgebung katastrophal auswirken.«
    »Sie können in Ihrem Delta keine weitere Flutwelle gebrauchen«, sagt Shaheen Badoor Khan.
    »Falls er es überhaupt bis dahin schafft«, bemerkt der Minister für Wasser und Energie der Regierung von Bharat. »Bei dieser Schmelzrate ...«
    »Herr Minister ...«, sagt Shaheen Badoor Khan, doch der offizielle Klimatologe von Bengalen nutzt sofort die Gelegenheit, mit seinen Kenntnissen zu brillieren.
    »Alles wurde bis auf das letzte Gramm berechnet«, sagt er. »Wir liegen klar innerhalb der Parameter für die mikroklimatische Veränderung.« Gesprochen mit einem
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