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Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)
Autoren: Gillian Flynn
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fernhalten. Vergeblich, wie ich befürchtete.
    Ich setzte mich ans Ufer des Bachs und fuhr mit den Handflächen über den steinigen Boden. Hob einen glatten, heißen Kiesel auf und drückte ihn an die Wange. Ich fragte mich, ob Ann je hergekommen war, als sie noch lebte. Vielleicht hatten die Kinder von Wind Gap inzwischen einen interessanteren Zeitvertreib für lange Sommertage gefunden.
    Als ich noch ein Kind war, gingen wir weiter flussabwärts schwimmen, wo riesige Tafelfelsen flache Teiche bildeten. Flusskrebse zuckten zwischen unseren Füßen hindurch, und wir stürzten uns auf sie und kreischten, wenn wir tatsächlich einen berührten. Keiner trug einen Badeanzug, alles lief spontan. Wir schüttelten uns wie nasse Hunde und radelten in klatschnassen Shorts und Tops nach Hause.
    Gelegentlich kamen ältere Jungs mit Schrotflinten und gestohlenem Bier vorbei, die Gleithörnchen oder Hasen schießen wollten. Sie trugen blutige Fleischbrocken am Gürtel. Sie waren frech, besoffen und stanken nach Schweiß, ignorierten uns auf geradezu aggressive Weise, und ich hatte echten Respekt vor ihnen. Heute weiß ich, dass es verschiedene Typen von Jägern gibt. Der Gentlemanjäger, der von Teddy Roosevelt und der großen Beute träumt, der sich nach einem Tag auf der Pirsch bei einem steifen Gin Tonic entspannt, ist nicht der Typ Jäger, den ich als Kind erlebte. Die Jungs, die ich kannte, waren auf Blut aus. Sie gierten nach dem tödlichen Zucken, das ein von Schrot durchsiebtes Tier durchfuhr, ein Tier, das eben noch geschmeidig dahingeglitten war und durch ihre Kugel nun abrupt zur Seite geschleudert wurde.
    Als ich ungefähr zwölf war, schlich ich mich mal in den Jagdschuppen eines Nachbarjungen, in dem die Tiere abgezogen und zerlegt wurden. Streifen von feuchtem, rosigem Fleisch baumelten zum Trocknen an Leinen. Der Lehmboden war rostrot vom Blut. Die Wände mit Aktfotos tapeziert. Manche Frauen hatten die Beine weit gespreizt, andere wurden von Männern niedergedrückt, die in sie eindrangen. Eine Frau mit glasigen Augen und prallen, geäderten Brüsten war gefesselt, ein Mann nahm sie von hinten. Ich konnte sie alle in der dicken, blutgetränkten Luft förmlich riechen.
    An jenem Abend schob ich einen Finger in meinen Slip und masturbierte zum ersten Mal, keuchend und von Ekel erfüllt.

2 . Kapitel
    H appy Hour. Ich gab die Suche auf und schaute bei Footh’s, einer einfachen Landkneipe, hinein, bevor ich in die Grove Street 1665 fuhr. Zum Haus von Betsy und Robert Nash, den Eltern von Ashleigh (dreizehn), Tiffanie (elf), der verstorbenen Ann (auf ewig neun) und des sechsjährigen Bobby Junior.
    Drei Mädchen, dann endlich der kleine Junge. Während ich meinen Bourbon schlürfte und Erdnüsse knackte, dachte ich, wie zunehmend verzweifelt die Nashs gewesen sein mussten, wenn wieder ein Kind ohne Penis herausgeflutscht war. Zuerst Ashleigh, kein Junge, aber reizend und gesund. Sie hatten sich ohnehin zwei Kinder gewünscht. Ashleigh bekam einen ausgefallenen Namen mit extravaganter Schreibweise und einen Schrank voller Prinzessinnenkleidchen. Sie hofften das Beste und versuchten es noch einmal, heraus kam Tiffanie. Allmählich wurden sie nervös, der Empfang fiel schon weniger triumphal aus. Als Mrs. Nash erneut schwanger war, kaufte ihr Mann einen winzigen Baseballhandschuh, um dem Klümpchen in ihrem Bauch den Dreh in die richtige Richtung zu geben. Man stelle sich die rechtschaffene Empörung vor, als Ann geboren wurde. Sie verpassten ihr den Namen irgendeiner Verwandten – sogar ohne schmückendes »e« am Ende.
    Dann kam zum Glück Bobby. Drei Jahre nach der Enttäuschung mit Ann – Unfall oder letzter Versuch? – erhielt Bobby den Namen seines Vaters und wurde gehätschelt und getätschelt, worauf die kleinen Mädchen sehr schnell begriffen, wie unbedeutend sie waren. Vor allem Ann. Wer braucht schon drei Töchter? Wenigstens bekam sie nun, da sie tot war, ein bisschen Aufmerksamkeit.
    Ich kippte meinen zweiten Bourbon in einem einzigen Schluck, lockerte die Schultern, klopfte mir auf die Wangen und stieg in meinen großen blauen Buick. Ich hätte gern noch einen getrunken. In der Privatsphäre anderer herumzuschnüffeln ist nicht mein Ding. Wer gibt mir das Recht dazu? Vermutlich bin ich deswegen eine zweitklassige Reporterin. Eine von vielen auf jeden Fall.
    Den Weg zur Grove Street kenne ich noch. Sie liegt zwei Blocks hinter meiner Highschool, die alle Kinder im Umkreis von siebzig Meilen
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